TAM-Wochenblatt Ausgabe 17 KW20 | 19.05.2011 |
Nach dem Attentat in Pakistan hat sich der Talibansprecher Ehsanullah Ehsan telefonisch bei der Nachrichtenagentur AFP zu Wort gemeldet. Er meinte: "Das war die erste Rache für Osamas Märtyrer-Tod!" Und es war eine blutige und an Brutalität fast nicht zu überbietende Rache: 800 Rekruten eines Polizei-Camps nahe der Provinzhauptstadt Peshawar (Distrikt Charsadda) wollten am vergangenen Freitag gerade in wartende Busse steigen um ihren Urlaub antreten zu können. Dabei näherte sich ein Motorradfahrer und zündete direkt neben den Bussen eine Bombe. Als eine Menschenmenge herbeieilte um den Verletzten zu helfen, löste ein zweiter Selbstmordattentäter mitten unter den Helfern eine weitere Detonation aus. Mindestens 87 Menschen starben, 120 teils lebensgefährlich verletzt. Kurz danach meldeten sich die pakistanischen Taliban und bekannten sich zum schwersten Anschlag in diesem Jahr in Pakistan. Es soll als Racheakt für den Tod Bin Ladens und die Verbrüderung der pakistanischen Sicherheitskräfte mit dem USA verstanden werden. Weitere "Attacken" werden in Pakistan und Afghanistan noch folgen (bei einem erneuten Bombenattentat nahe der Garnisonsstadt Kharian starben 6 Menschen, 20 weitere wurden verletzt). In dem betroffenen Polizei-Camp werden Rekruten der paramilitärischen Polizeieinheit Frontier Constabulary (FC) ausgebildet. Diese Spezialkräfte wurden bislang vornehmlich im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zur Bekämpfung von Aufständischen eingesetzt. Die Rekruten hatten gerade ihre Grundausbildung abgeschlossen. Talibansprecher warnten pakistanische Eltern dezidiert davor, Ihre Kinder in die Armee oder solche Spezialeinheiten zu schicken. Bisher starben in Pakistan mehr als 4.300 Personen bei Bomben-Anschlägen. Die meisten davon ereignen sich im Nordwesten des Landes, der als Rückzugsgebiet der Taliban und der Terrororganisation al-Kaida gilt. Jetzt geht weltweit die Angst um! Trotz Geheimhaltung ist am Tag nach der Aktion bekannt geworden, welche Navy-Seals-Spezialeinheit den Einsatz gegen den Terrorfürsten durchgeführt hatte. In den Kasernen herrscht nun erhöhte Alarmbereitschaft, die Angehörigen der Kader-Soldaten haben das Pentagon um Personenschutz gebeten. In New York wurden zwei arabisch-stämmige Männer verhaftet, die angeblich einen Anschlag auf das Empire State Building und eine Synagoge geplant hatten. Dabei dürfte es sich aber - nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen - nicht um al-Kaida-Kämpfer handeln. In Dublin (Irland) wurde der Autor einer Publikation festgenommen, der geschrieben hatte, dass die al-Kaida eine Million Pfund Kopfgeld für jenen ausgesetzt habe, der den US-Präsidenten Barack Obama bei seinem Irland-Besuch zur Geschichte machen würde. Terror-Experten befürchteten bereits zuvor, dass die al-Kaida durch den Tod ihres Gründers und Anführers zwar geschwächt, nicht jedoch ausgeschaltet worden ist. Osama Bin Laden galt als strenger Führer und Ideenlieferant. Daneben erbrachte der Millionenerbe eines Unternehmers auch die erforderlichen Geldmittel, um diese umzusetzen. Die al-Kaida gilt als eines der wohl schlagkräftigsten und widerstandsfähigsten Terrornetzwerke der Gegenwart. Unabhängig voneinander agierende sog. "Schläferzellen" dürften auf der ganzen Welt eingerichtet worden sein. Durch Audio-Botschaften erhielten diese, aber auch alle anderen Sympathisanten der al-Kaida ideologische Leitlinien zugeliefert. Osama behielt besonders dann die Entscheidungsgewalt, wenn es um die Besetzung wichtiger Posten ging. Dadurch hatte Bin Laden ein nach Angaben von westlichen Geheimdiensten gut funktionierendes Makro-Management-System aufgebaut. Unter seinen Fahnen wurden alle Dschihadisten zum gemeinsamen Kampf gegen den vermeintlichen Feind, die USA versammelt. Doch nur er selbst entschied, wer dabei den Namen der al-Kaida verwenden durfte, denn schliesslich sah er darin so etwas wie ein Markenzeichen. Filialen der Terrororganisation wurden überall dort errichtet, wo die lokalen Dschihadisten gescheitert waren: im Jemen (der immer mehr die Zentrale in Pakistan-Afghanistan entlastete), dem Irak und auch in Saudi-Arabien bzw. den arabischen Staaten Nordafrikas. Die Kommunikation wird hauptsächlich über das Internet durchgeführt. Wer nun die Geschicke der al-Kaida leiten wird, steht noch nicht ganz fest. Als aussichtsreichster Kandidat gilt Aiman al-Sawahiri oder auch die jüngere Garde mit Abu Jahja al-Libi, Ilyas Kasmiri oder Saif al-Adl . Diese ehrgeizigen Kämpfer werden wohl die Welt noch für Jahre hinweg in Atem halten, auch wenn ihnen das Charisma eines Osama Bin Ladens und andererseits auch zunehmend der Rückhalt in der islamischen Welt fehlt, da ständig auch Anschläge auf muslimische Ziele verübt wurden. Die Revolutionen in den arabischen Ländern haben dies auch ausgewiesen: Die al-Kaida ist zumindest dort politisch völlig unwichtig geworden, da die revolutionären Bewegungen auch etwa durch Säkularisten oder Frauen getragen wurden. Autor: Ulrich Stock
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