Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in seinen sog. "Brand-Briefen" ein weiteres Notpaket in der Höhe von nicht weniger als 90 Milliarden € für Griechenland gefordert. Nur auf diesem Wege könne die Staats-Insolvenz abgewendet werden, die ansonsten auch gewaltige Auswirkungen auf die Eurozone haben würde. Worte, die innerhalb nur eines Jahres bereits zum vierten Mal gesprochen werden - und zum schon zweiten Mal in Griechisch. Was zuerst vielleicht noch für die meisten zu verstehen gewesen ist, wird nun auch den Ökonomen zum "roten Tuch": Entwickelt sich Athen zum Fass ohne Boden? Mit der Bewilligung des ersten Hilfspaketes in der Höhe von 110 Milliarden Euro musste sich das Land zu einschneidenden Sparmassnahmen verpflichten! Diese allerdings wurden von den dortigen Politikern nur halbherzig durchgeführt. Das Volk zog auf die Strassen, sodass die Staatsmänner schon beinahe befürchten mussten, gelyncht zu werden; von einer Wiederwahl ganz abzusehen. Demgemäss bereinigt man rasch einige Komma-Stellen, im Grossen und Ganzen blieb aber alles beim Alten. Und dies erzürnt nun Herrn Schmidt aus Stuttgart und Frau Müller aus Berlin: Weshalb sollen die Deutschen sparen, weshalb soll das Leben hier teurer werden, wenn der Euro auf der Peloponnes schneller wieder weg ist, als im Vergleich dazu die Überweisung gedauert hat! Dies ist nun jene Frage, mit welcher sich die Bundesregierung vornehmlich auseinanderzusetzen hat. Auch wenn zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Parteikollegen, Wolfgang Schäuble, sowie dem Fraktionschef der FDP, Rainer Brüderle, und dem EU-Währungskommissar Olli Rehn bewundernswerte Eintracht herrscht, so muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Dies beginnt in den eigenen Fraktionen. Teilnehmer einer Sondersitzung der Unions-Parteien berichten über heftigste verbale Auseinandersetzungen. Bislang gebe es weitaus mehr Stimmen gegen ein weiteres Hilfspaket als dafür. Auch beim Koalitionspartner FDP herrscht Uneinigkeit: Es dürfe keine Blanko-Schecks geben! Vor einer erneuten Finanzspritze müssen weitere Krisenbewältigungsmassnahmen durch Athen aufgezeigt werden. Unisono allerdings erklären die Regierungsparteien, dass nun auch die privaten Gläubiger mitzuziehen haben. Diese sollen einstweilen Forderungen hintanstellen oder völlig darauf verzichten. So bedarf es etwa, dass noch laufende Anleihen in neue mit siebenjähriger Laufzeit umgetauscht werden. Durch diese "sanfte Umschuldung" würde wertvolle Zeit gewonnen. Dort hingegen heisst es, dass zuvor alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssten. Eine tragfähige Lösung sei noch nicht erreicht - deshalb könne eine Umschuldung nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden (Andreas Schmitz, Präsident des deutschen Bankenverbandes). Die deutschen Versicherungsunternehmen haben sich unterdessen aus dem Geschäft mit griechischen Staatsanleihen weitestgehend herausgenommen. So hat nurmehr die Deutsche Assekuranz rund 2,8 Milliarden Euro zum Stichtag Ende März in dieser Form angelegt. Dies bescheinigt eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Das sind gerade mal 0,22 % der gesamten Kapitalanlage - damit würde die Assekuranz auch nicht von einer Umschuldung des Landes getroffen. Hintergrund des Tohuwabohums ist ein Bericht der sog. "Troika-Mission", einer Kommission, bestehend aus Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und nicht zuletzt der EU-Kommission, wonach die Lage verzwickter denn je erscheint. Griechenland ist nicht mehr kreditwürdig! Damit bestünden - trotz des ersten Hilfspaketes, das noch bis zum kommenden Jahr ausreichen hätte sollen - keine Chancen auf Geld aus den internationalen Kapitalmärkten. Die Zinsen sind für Athen ohnedies schon nicht mehr tragbar, betont Kanzlerin Merkel. Nach den Statuten des IWF darf somit das Land auch keine weiteren Fortzahlungen erhalten (Schuldentragfähigkeit). Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte in einem Brief an die Mitglieder der Troika und an seine Kollegen aus der Euro-Zone vor "dem realen Risiko der ersten ungeordneten Staatsinsolvenz innerhalb der Eurozone" gewarnt. Die griechische Schuldenlage müsse dauerhaft stabilisiert und eine faire Lastenteilung zwischen Steuerzahlern und privaten Investoren getroffen werden. Die Vorbereitungen in den Euro-Ländern sind bereits am Laufen bzw. abgesegnet - in den nächsten Tagen werden wohl die Finanzminister beim Ecofin-Treffen den neuen Geldregen für die Griechen absegnen. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 19 KW 24 | 16.06.2011 |
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