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Online-ZeitungDer Fall Demjanjuk |
19.03.2012 |
Im Mai 2011 wurde John Demjanjuk zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Gefängnis sah der geborene Ukrainer jedoch nicht mehr. Am vergangenen Samstag ist der ehemalige Wachmann des Vernichtungslagers Sobibór im Alter von 91 Jahren verstorben. Damit ist die Akte geschlossen, der Fall gilt als juristisch erledigt. Auch wenn weltweit Interessensvertretungen und die 30 Nebenkläger (grossteils Angehörige von Opfer) gerne Licht in die Sache gebracht hätten, werden sich die deutschen Richter nicht mehr ihrer annehmen. Die vorerst letzte grosse Kriegsverbrecher-Anklage wird im Archiv Staub ansetzen, bis sie von einem Journalisten oder Historiker wieder hervorgeholt wird. Und es war ein wahrhaft zäher Prozess. Aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit durfte eine Sitzung in Anwesenheit des Angeklagten nicht länger als 90 Minuten dauern. 28.060 Menschen sollen während seiner Dienstzeit im KZ Sobibor umgebracht worden sein. Wegen Mitwisserschaft machte sich Demjanjuk ebenfalls schuldig. Schliesslich hätte er ja flüchten können. Doch was es für die "Totenkopf-SS" bedeutete, wenn einer ihrer Handlanger, noch dazu ein Kriegsgefangener, desertierte, ist zumindest heute jedem bewusst. Deshalb galt es aufzuzeigen, dass der Angeklagte nichts unternommen hatte um Menschenleben zu retten. Der Prozess am Münchner Landgericht wegen Beihilfe zum tausendfachen Mord baute sich rein nur auf Indizien auf. Kein Wunder - nach solch langer Zeit. Zeugen, die den "Trawniki" damals im Lager miterlebt haben, gibt es keine. Überlebende des Holocaust allerdings betonen, dass diese rund 120 Ukrainer, die im SS-Lager Trawniki ausgebildet worden waren und deshalb so bezeichnet wurden, sehr brutal vorgegangen sind. Sie waren es auch, die die nackten Männer, Frauen und Kinder wie Vieh in die Gaskammern getrieben haben. Die meisten der drei Trawniki-Kompanien von Sobibór, Belzec und Treblinka sind nach dem Kriegsende untergetaucht. Viele wurden verhaftet, mindestens 19 hingerichtet. Fünf Jahre für so viele Menschenleben? Seine Anwälte und auch die Staatsanwaltschaft hatten gegen das Urteil berufen. Als nächste Instanz hätte sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall beschäftigen müssen. Der Angeklagte schwieg bis zur letzten Minute. |
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Demjanjuk selbst verbrachte die letzten Wochen seines Lebens in einem Pflegeheim in Bad Feilnbach in der Nähe von Rosenheim/Bayern. Als 20-jähriger wurde er im Jahr 1940 in die Rote Armee eingezogen. Zuvor arbeitete Demjanjuk als Traktorfahrer in einer Kolchose. Zwei Jahre später geriet er bei der Schlacht von Kertsch in deutsche Kriegsgefangenschaft. Um nicht wie Millionen anderer sowjetischer Soldaten zu verhungern, entschloss er sich zur Kollaboration und liess sich im SS-Lager Trawniki als Wachmann ausbilden. In seinem SS-Dienstausweis steht der Vermerk "Abkommandiert am 27.3.43 Sobibor". Er trug die Nummer 1393. Was dann geschah, liess sich nur schwer nachweisen. Fakt ist, dass er sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als Nazi-Opfer ("Displaced Person") ausweisen liess und 1952 in die USA auswandern konnte. Dort ging er einem Job als Auto-Mechaniker nach. Ermittlungen Israels liessen in den 80ern den Verdacht aufkommen, dass es sich bei John Demjanjuk in Wirklichkeit um "Iwan den Schrecklichen" handeln könnte, der nach wie vor gesucht wurde und im Vernichtungslager Treblinka für den Tod von nicht weniger als 800.000 Juden verantwortlich war. 1986 wurde er von den USA an Israel ausgeliefert. |
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