TAM-News |
||
Online-ZeitungTAM-News: Lotsenstreik - die Ruhe vor dem Sturm |
29.02.2012 |
Die Ausbildung dauert lange, ist beinhart und sehr selektiv! Die wenigen allerdings, die übrig bleiben, haben einen Job mit großer Verantwortung und guter Bezahlung! Dies dachte sich so mancher bislang, wenn das Wort "Fluglotse" genannt wurde. Schließlich hängt von ihnen die Sicherheit der Fluggäste und der Crew im Flugzeug bzw. der Menschen am Boden ab. Was geschehen kann, wenn hier etwas nicht funktioniert, hat das Unglück von Überlingen vor einigen Jahren tragisch aufgezeigt. Daneben sind die Lotsen auch ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor. Schließlich helfen sie den Airlines, unnötige Zeit in der Luft und damit Kerosin einzusparen. Doch gegenwärtig verursachen sie Kosten - horrende Kosten. Am vergangenen Montag sind von 1.286 geplanten An- und Abflügen 200 gestrichen worden - insgesamt waren es zirka 1.600 seit Beginn des Streiks. Alleine bei der Lufthansa wurden bislang knapp 700 Flüge gecancelt, 55.000 Passagiere blieben auf dem Boden. Seit knapp mehr als einer Woche streiken am größten Passagierflughafen Europas, dem Rhein-Main-Airport Frankfurt, die Vorfeld-Lotsen. Diese sind dafür verantwortlich, dass startende Flugzeuge zur richtigen Rollbahn und gerade gelandete Maschinen zum korrekten Gate geleitet werden. Die Betreibergesellschaft des Flughafens Fraport betonte noch vergangene Woche, hierauf vorbereitet zu sein. Streikende wurden durch ehemalige Kollegen oder Streikbrecher von anderen Flugplätzen ersetzt. Trotzdem kam es zu Ausfällen - vor allem im deutschen Kurzstreckennetz bzw. zuletzt auch bei europäischen Verbindungen. Hier rechne man mit einem zweistelligen Millionenbetrag durch Umsatzausfälle. Deshalb überlegt sich die größte Airline Deutschlands die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen. |
Trotzdem hält die Lufthansa ihrem Heimatflughafen Fraport die Stange: Die Forderungen der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) seien nicht hinnehmbar, so der Personalvorstand Stefan Lauer gegenüber der Financial Times Deutschland! Unterdessen hat die GdF mit einer Ausweitung des Streiks auch auf die Fluglotsen gedroht. Diese wiederum sind für den Luftraum, also die Start- und Landemanöver sowie die Überflüge verantwortlich. Frankfurt ist nicht nur ein stark frequentierter Flughafen, sondern auch ein Knotenpunkt im Nord-Süd- sowie West-Ost-Verkehr. Damit wäre auf einen Schlag der interkontinentale Flugverkehr massiv betroffen. Stuttgart, München bzw. auch Köln müssten einspringen - nicht nur Verspätungen wären die Folge. So würde beispielsweise die Route Abu Dhabi nach London gestrichen oder umgeleitet. Der wirtschaftliche Schaden wäre gewaltig. Fraport fordert inzwischen Berlin zur Hilfe auf. Die Flugsicherung liegt im Verantwortungsbereich des Bundes. Dort reagiert man verständlicherweise verärgert. Die Deutsche Flugsicherung DFS habe nichts mit den Forderungen der Vorfeldlotsen in Frankfurt zu schaffen. Dies sei einzig Angelegenheit des Flughafen-Betreibers. Der GdF gehören 3.500 Angestellte am Rhein-Main-Airport an. Geplant sei vorerst ein regional beschränkter Solidar-Streik. Nicht weniger als 200 Angestellte (vom Vorfeldlotsen über den Verkehrsdisponenten bis hin zum Flugzeugeinweiser) hatten vergangene Woche mit den Streiks begonnen. |
Gefordert wurden mehr Lohn, höhere Zulagen und kürzere Arbeitszeiten. Offenbar berechtigt, da die Fraport bereit wäre, den Vorfeldlotsen um bis zu 70 % (!) mehr Lohn zu bezahlen. Auch bei der Verkehrsdisposition ließ man mit +30 % mit sich reden. Zwischendurch geführte Verhandlungen verliefen trotzdem erfolglos, da sich Fraport geweigert hatte, die Flugzeugeinweiser in den neuen Tarifvertrag einzubinden. Von der Begründung schließlich, können die sich allerdings nichts abschneiden: Sie verdienen derzeit schon mehr als ihre Kollegen aus München. Zuletzt jedoch konnten 90 % des Flugplans mit Ersatzleuten bewältigt werden. Deshalb rief die Gewerkschaft zur Solidarität auf, um damit ihren Forderungen Nachdruck verleihen zu können. Ein für den heutigen Mittwoch einberufener Fluglotsenstreik musste allerdings nach dem Urteilsspruch des Arbeitsgerichtes abgesagt werden - er sei unverhältnismäßig! Die Deutsche Flugsicherung hatte die Rechtmäßigkeit des Streiks überprüfen lassen. Zwischen 5-11.00 Uhr sollten die Radarschirme größtenteils unbesetzt bleiben, da die meisten Lotsen im Tower Gewerkschaftsmitglieder sind. Wäre dies der GdF gelungen, so wäre in Frankfurt der komplette Verkehr zum Erliegen gekommen. Bei der Gewerkschaft wird betont, dass in diesen sechs Streikstunden nur 10 Fluglotsen eingeteilt. Not- und Rettungsflüge würden auch weiterhin durchgeführt. Aus diesen Gründen sah die GdF die Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Fraport hingegen bezeichnet die Streik-Drohung als "maßlos überzogen". Schließlich könne es nicht sein, "dass ein zu 100 Prozent im Bundesbesitz befindliches Unternehmen, das ein vom Staat garantiertes Monopol ausübt, in einen privatrechtlichen Tarifstreit hineingezogen wird", meinte am Montag ein Sprecher des Flughafens. |
Die Forderungen der GdF:
Vorfeld-Lotse von bislang 53.000 auf künftig 79.600 €
Verkehrsdisponent von 41.700 auf 54.100 €
Flugzeugeinweiser von 37.300 auf ebenfalls 54.100 €
Fraport spricht von überzogen, die Gewerkschaft von durchaus angemessen, schließlich haben die Betroffenen viel Stress und eine hohe Verantwortung. Fakt ist, dass die meisten Flugzeugunfälle auf dem Vorfeld, also am Boden geschehen. Bereits im Januar wurde der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust (CDU), als Schlichter ins Boot geholt. Mit seiner Schlichtungsempfehlung, vorgelegt am 3. Februar, lag er relativ nahe an den Forderungen der GdF. Jedoch sollten die Erhöhungen bis 2014 gestreckt werden, wofür bis Ende 2015 beiderseitige Ruhe garantiert werden solle. Die GdF stimmte zu, Fraport jedoch lehnte ab. Hier wird gerade durch die Lohnerhöhung bei den Verkehrsdisponenten eine Kettenreaktion erwartet. Dann würden die Terminaldisponenten um ein Drittel weniger als ihre Kollegen verdienen - der nächste Lohnstreit wäre vorhersehbar. Die Verkehrsdisponenten weisen den Flugzeugen Gates zu, ihre Kollegen im Terminal dem Personal solche für den Check-In.
Die Kosten belaufen sich bei der Fraport auf rund eine halbe Million Euro pro Streiktag an Umsatzeinbußen.
(Ulrich Stock)
|