Doch wie sich inzwischen gezeigt hat, entwickelt sich dies zu einem Schuss nach hinten. Die E10-Tanks sind voll, die Super Plus-Tanks leer! Niemand tankt den Biosprit, da die Befürchtung umgeht, dass der Motor des Deutschen liebsten Hobbies, dem Auto, dies nicht verkraftet. Weiter geschürt wird diese Überlegung auch durch solche Aussagen, wie sie kürzlich aus dem BMW-Konzern kamen: Kein Motor mag Biosprit! (Thomas Brüner - Leiter der Mechanikentwicklung bei den Bayern). Der Schwarze Peter wird nun hin und hergeschoben: Von der Politik auf die Mineralölwirtschaft, von dort weiter auf die Autoindustrie - und da kann der Wortfall schon mal recht streng ausfallen. So liess beispielsweise Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner verlauten, dass auch weiterhin an den Sanktionen für Benzinhersteller festgehalten werde, wenn sie die gesetzliche Biokraftstoffquote nicht einhalten (6,25 % des verkauften Treibstoffes - gemessen am Energiegehalt - müssen in diesem Jahr aus pflanzlichem Anbau stammen). Sie warnte gleichzeitig auch die Mineralölfirmen davor, etwaige Strafzahlungen an den Verbraucher weiterzugeben. Der Sprecher der Grünen, Cem Özdemir betonte gegenüber des ZDFs, dass das E10 unsere Probleme nicht löse. Hier werde nur mit dem Kunden "herumexperimentiert", doch an der heiligen Kuh - einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen bzw. der Produktion sparsamer Motoren - gehen wohl alle Überlegungen vorbei. Licht in die derzeit ziemlich verfahrene Situation sollte deshalb ein E-10-Gipfel bringen, den Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) einberufen hatte! Auch bei diesem Treffen zwischen Vertretern der Politik, der Wirtschaft und der Verbraucherverbänden kam es erneut zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. Jedoch einigte man sich darauf, dass es den Biosprit auch weiterhin geben wird. Die Unsicherheit des Autofahrers soll durch eine breitgefächerte Informationskampagne und Verträglichkeitslisten, die bei jeder Tankstelle aufgelegt sind, beseitigt werden. Die Verbraucherverbände allerdings sind am Toben. Gerd Billen, Vorsitzender des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes spricht von einer "Missachtung der Verbraucher" - es müsse eine schriftlich erweiterte Garantie der Hersteller geben! Dies jedoch lehnt die Industrie ab. Der ADAC fordert eine sofortige Senkung des bisherigen E-5-Supers, da ein Preisunterschied von acht Cent pro Liter v.a. jene Autofahrer straft, die den Biotreibstoff nicht tanken dürfen. Dies sicherte der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes, Claus Picard erst ab jenem Zeitpnkt zu, wenn die Nachfrage nach Super Plus das Angebot nicht weiterhin übersteigt. Auch die Opposition hält den Gipfel für gescheitert. Die SPD will das "E-10-Desaster" zum Bundestagsthema machen, Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin plakatiert den Totalausfall des Umweltministers! Und schliesslich kommt Kritik aus den eigenen Reihen der CDU: So spricht sich der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) Martin Fuchs dafür aus, mit der Einführung von E-10 noch etwas zu warten. Es reiche vollkommen aus, wenn Deutschland erst 2012 oder 2013 seine selbst gesetzten Ziele beim Einsatz von Biotreibstoffen erreiche. E-10 ist ein Gemisch aus 10 % Bioethanol und 90 % bisheriger Treibstoffe. Das Ethanol führt zu höheren Verbrennungstemperaturen. Dies lässt die Aluminiumteile des Motors schneller korrosieren. Ausserdem werden Dichtungen und Schläuche angegriffen. Und ferner ist die Energieausbeute bei diesem Bioethanol geringer als bei den bisherigen Treibstoff-Gemischen, sodass mehr davon verbraucht wird. Der Verband der deutschen Automobilhersteller gibt für 99 % der heimischen Fabrikate grünes Licht - abhängig v.a. vom Baujahr: Je jünger das Auto, desto höher ist die Verträglichkeitsquote! Genaue Infos hält der Verband unter http://www.dat.de/e10liste/e10vertraeglichkeit.pdf bereit. Während sich das Kraftfahr-Bundesamt zur Verträglichkeit des Biotreibstoffes dezent zurückhält, meint Bundes-Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) übrigens: "E-10 muss keinen Vergleich mit Gaddafis Öl scheuen!" Dessen Vorgänger im Umweltministerium, SPD-Chef Sigmar Gabriel stoppte vor zwei Jahren die Einführung des E-10. Seiner Meinung nach wäre die Elektromobilität bzw. die Weiterentwicklung von Wasserstoff zielführender. Und Röttgen (so nebenbei erwähnt) kandidiert auch bei den Landtagswahlen in NRW - für das Amt des Ministerpräsidenten. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 9 KW 11 | 21.03.2011 |
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