Seit 1981 leitet Husni Mubarak die Geschicke des Landes am Nil. Er folgte dem damals einem Attentat zum Opfer gefallenen Anwar El Sadat nach. Immer wieder gab es Vorfälle wie etwa das Attentat 2007 in Sharm El-Sheikh oder zuletzt jenes auf die koptischen Christen zu Beginn des Jahres, dem 21 Menschen zu Opfer fielen. Doch wurde zumeist die Verantwortung dafür in der Vergangenheit religiösen Extremisten oder der Al Kaida in die Schuhe geschoben. Im Januar war dies anders. Dort wurden während des Begräbnisses der Opfer Proteste gegen die Regierung laut. Nach Tunesien und Algerien explodierte aber erst in der vergangenen Woche die Wut des Volkes. Tausende strömten auf die Strassen und demonstrierten gegen das Regime Mubarak, der zuletzt immer mehr in die diktatorische Schiene abgetriftet ist. Auch zu Strassenschlachten mit der eingreifenden Polizei ist es gekommen. Der Präsident hielt sich lange zurück - manche sagen - zu lange! Seine Rede an die Nation im TV wurde tief in die Nacht hineingeschoben. Dort bekundete er sein Verständnis für die Forderungen der Menschen nach mehr Demokratie und wirtschaftlichen Reformen, kritisierte allerdings die gewalttätigen Ausschreitungen auf das Schärfste. In weiterer Folge wurde die Regierung ihres Amtes enthoben - der Präsident jedoch betonte, dass er bleiben wolle. Was dann folgte, entrüstete sogar den US-Präsidenten Barack Obama. Das Internet wurde blockiert und das Mobilfunknetz abgeschaltet oder gestört. Mubarak hatte diese Massnahme angeordnet, da sich sehr viele der Demonstranten via Facebook oder Twitter organisierten. Obama betonte in einem 30- minütigen Telefongespräch mit seinem engsten Verbündeten in Nordafrika und dem Nahen Osten, dass auch die Ägypter das Recht auf eine friedliche Demonstration haben. Es müssen konkrete Schritte gesetzt werden, wozu auch der Dialog mit dem Volk gehöre. Das Abschalten des Internets und der Mobiltelefonie seien dabei ein Schritt in die falsche Richtung. Der mächtigste Mann der Welt forderte seinen ägyptischen Amtskollegen dazu auf, die Reformen endlich durchzuziehen und bei der weiteren Vorgehensweise gegen die Proteste Zurückhaltung zu üben, da ansonsten die US-amerikanischen Unterstützungen in der Höhe von jährlich 1,5 Mrd. Dollar ausbleiben könnten. Mubarak verspricht solche Reformen schon seit Jahrzehnten, ohne dass sich wirklich viel getan hat. Deshalb fordern die Demonstranten jetzt den Rücktritt des 82-jährigen. Vor seiner Rede kamen die ersten Gerüchte auf, wonach dieser das Land vielleicht gar schon verlassen habe. Doch offenbar denkt er gar nicht daran. In der Hauptstadt Kairo und anderen grossen Städten ist das Militär eingerückt. Die Soldaten wurden auch freudig begrüsst, da die Protestierenden eine Solidarisierung der Soldaten mit dem Volk erhofften. Doch war dies ein Trugschluss - die Armee bleibt vorerst zumindest loyal gegenüber des Staatsoberhauptes. Deshalb gehen die Sprechchöre "Das Volk will den Sturz des Systems!" nun weiter. Auch die Zahl der Todesopfer und Verletzten wird weiterhin ansteigen, sprach sich doch Mubarak für den harten Einsatz der Polizei aus. So etwa bei einer Kundgebung mit dem Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei, einem der Anführer der Opposition. Gummigeschosse, Wasserwerfer und Tränengas - das alles kennen wir ja schon! ElBaradei wurde danach unter Hausarrest gestellt. Immer mehr Menschen schliessen sich den Protestierern an, wodurch es der Polizei sehr schwer fällt, die Lage im Griff zu behalten. Im ganzen Land werden Gebäude in Brand gesetzt - vornehmlich jene der Regierungspartei NDP. Die Armee wird inzwischen von den Demonstranten aufgefordert, sie gegen die brutal vorgehenden Polizeieinheiten zu schützen. Immer mehr Soldaten, die an manchen Stelle die Polizei abgelöst haben, wechseln das Lager. So sind auch Verbrüderungsszenen zu sehen. Sorge bereiten inzwischen die vermehrten Plünderungen. So etwa auch beim ägyptische Museum in Kairo. Zunächst vereitelte dies eine Menschenkette von Demonstranten, die das Nationalheiligtum schützen wollten. Hier lagern unbezahlbare Schätze aus der Zeit der ägyptischen Hochkultur. Inzwischen wurden die Demonstranten durch die Armee abgelöst, nachdem der Regisseur Chalid Jussif einen dramatischen Appell im Fernsehen abgegeben hatte, dass nicht dasselbe wie im iranischen Nationalmuseum geschehen dürfe. Die Plünderer freilich stört dies wenig, sie stiegen über das Dach ein und sollen bereits wertvolle Mumien beschädigt haben. Doch könnte den Präsidenten denn ersetzen? Mubarak liess während seiner Amtszeit keinen politischen Nachfolger aufkommen. Der ägyptischen Machthaber hat inzwischen rasch den ehemaligen General Omar Suleiman als bislang ersten Vizepräsidenten Ägyptens seit 30 Jahren angeloben lassen. Insider sprechen von Suleiman als den "Augen und Ohren Mubaraks" - er war lange Zeit dessen Geheimdienstchef. Als einziger Kandidat des Volkes bietet sich der ehemalige Vorsitzende der Internationalen Atomenergiebehörde Mohammed ElBaradei an. Er kam direkt am Donnerstag aus Wien nach Kairo um die Opposition zu vereinen. Bereits vor seinem Abflug bot er sich als Chef der Übergangsregierung an. ElBaradei galt in seiner Zeit als Vorsitzender der IAEO in Wien als ein zäher Konsenssucher. Er ist 68 Jahre alt und hat beileibe noch nicht vor, sich zur Ruhe zu setzen. Der Jurist promovierte in den USA. Das US-Aussenministerium hat einen verschärften Reisehinweis für Ägypten ausgesprochen - das Auswärtige Amt in Berlin warnt vor Reisen nach Ägypten. Die staatliche Fluglinie Egypt Air hat den Flugverkehr eingestellt. Auch Bundeskanzlerin Merkel fordert die ägyptische Regierung dazu auf, friedliche Demonstrationen zu genehmigen, "dass die Meinungsfreiheit eine Chance hat!". So auch die Meinung des UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon: "Eines der Grundprinzipien der Demokratie ist der Schutz und die Gewährleistung der Meinungsfreiheit der Bürger!" Die Börsen reagieren bereits ebenfalls auf die Lage - so sind die Kurse in den USA stark eingebrochen, der Ölpreis schnellte in die Höhe, da beinahe ein Zehntel des weltweiten Seehandels durch den Suez-Kanal befördert wird - ein nicht zu unterschätzender Teil davon ist auch das Erdöl. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 3 KW 5 | 14.02.2011 |
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