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Online-ZeitungUngarn - ja was denn jetzt!? |
20.01.2012 |
Das Land der endlos weiten Puszta, der Ziehbrunnen und der hübschen, feurigen Ungarinnen in ihren volkstümlichen Kleidern und den roten Lederstiefeln - Ungarn ist die große Unbekannte in Europa. Kaum mehr einer weiß heute noch, dass das erste Loch im Eisernen Vorhang 1989 symbolisch an der österreichisch-ungarischen Grenze aufgeschnitten wurde, worauf tausende Ostblock-Bürger, v.a. aber Deutsche aus der DDR in den Westen geflohen sind, was die SED dazu bewogen hatte, dem Mauerfall freien Lauf zu lassen. Kaum einer weiß heute noch über den Ungarn-Aufstand 1956 Bescheid, der erstmals zum Eingreifen der Roten Armee der Sowjetunion führte und den späteren Ostblock formte. Im März 1990 fanden die ersten freien Parlamentswahlen seit 1947 statt. Das Land trat am 1. Mai 2004 der Europäischen Union bei, von außen gesehen ruhig und unspektakulär. Als eines der wenigen Länder jedoch führte die Ungarische Republik nicht die europäische Gemeinschaftswährung, den Euro ein. 2010 gewann bei den Parlamentswahlen das Wahlbündnis aus Fidesz und KDNP mit 263 von 386 Mandaten die Zweidrittelmehrheit. Diese ist für Verfassungsänderungen erforderlich. Am 29. Mai 2010 wurde Viktor Orban zum Ministerpräsidenten gewählt. Dieser sollte den Staat von Grund auf umkrempeln. Zum 1. Januar 2012 trat die neue Verfassung des Landes in Kraft. Dabei bekennt sich dieses Grundgesetz zu Gott, der Stephanskrone, dem Vaterland, Christentum, der Familie und dem Nationalstolz (Die Stephanskrone ist das uralte Nationalheiligtum des Landes). Weltweite Proteste waren die Folge. Bei der Durchsetzung ihrer Ziele ist es der Regierung nämlich möglich, die Medienfreiheit, die Freiheit der Notenbank sowie der Justiz zu beschneiden. Ein Kennzeichen von ganz entscheidender Bedeutung bei diktatorisch geführten Staaten. So erhielt das letzte noch bestehende Privatradio "Klubradio" keine Sendelizenz mehr. Dies führte zu ersten Reaktionen aus Brüssel: Die für digitale Medien zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes forderte in einem Mahnschreiben die Regierung Orban dazu auf, mehr Radio-Lizenzen zur Verfügung zu stellen. Bereits zuvor hatte die Staatengemeinschaft interveniert, da die "Pflicht zur ausgewogenen Berichterstattung" nur auf den Rundfunksektor beschränkt wurde. Daneben mussten neue Medien eine Zulassungsprozedur über sich ergehen lassen |
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und konnten bei wiederholter Zuwiderhandlung gegen das Mediengesetz mit Geldstrafen von bis zu 200 Mio. Forinth (ca. 643.000,- €) belegt werden. Dies galt übrigens auch für ausländische Medien! Nachdem Ministerpräsident Orban aber nach wie vor vehementen Einfluss auf die Berichterstattung im staatlichen Fernsehen ausübte, hatte dieser Tage die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die Verfassung verstoße zudem gegen die Unabhängigkeit der Zentralbank, der Datenschutzbehörde sowie der Richter. Die Grünen und Liberalen im EU-Parlament wollten gar ein Verfahren wegen schwerwiegender Verstöße gegen die europäischen Grundwerte. Dies hätte hohe Bußgelder sowie den Entzug von Stimmrechten zur Folge. Bei seiner Rede in Straßburg betonte Viktor Orban, dass die Probleme schnell und einfach korrigiert werden können! Politexperten sehen darin ein Einlenken des Ungarn, schließlich steht sein Land kurz vor dem Staatsbankrott. Auch regierungsfreundlich gesinnte Wirtschaftsexperten fordern inzwischen eine neue Wirtschaftspolitik. Nachdem die Verfassung Orban einen indirekten Zugriff auf die Zentralbank erlaubt, ziehen sich Investoren zurück. Der Präsident ist damit auf die Hilfe von außen angewiesen. Der Euroschirm steht ihm allerdings nicht zur Verfügung, da das Land ja der Euro-Zone nicht angehört. Orban erhofft sich vielmehr Kredite durch den IWF und die EU. Durch den Ramsch-Status der Staatsanleihen (BB+ - Aussicht negativ) wird aber das Land systematisch von den Zinsen aufgefressen! Schon jetzt muss es höhere Rendite als Italien bezahlen. |
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