Das interessanteste Ergebnis kommt so nebenbei erwähnt aus der umkämpften Tschetschenien-Region: Die Wahlbeteiligung lag bei 93 % - davon stimmten nicht weniger als 99,47 % für die Putin-Partei. Meinungsumfragen zeigen auf, dass die Russen zunehmend unzufriedener werden. So fehlt beispielsweise eine politische Vertretung der immer grösser werdenden Mittelschicht in der Duma komplett. Daneben wurde und wird viel versprochen - gehalten jedoch nur wenig! Der Wahlsieg stand zwar für "Einiges Russland" außer Frage, doch fordern immer mehr junge Bürger und die Einwohner der Städte einen Wechsel an der Spitze. Die Zwischenrufe wurden lauter, als Putin im vergangenen Herbst seine erneute Kandidatur bekannt gab. Von einem Tag auf den anderen stürzte er in der Wählergunst von ehedem 80 auf nurmehr 60 % ab. Kritik kommt auch von deutscher Seite. So meinte der Regierungskoordinator für die deutsch-russischen Beziehungen, Andreas Schockenhoff (CDU) gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Ein Signal der Ermutigung für umfangreiche gesellschaftliche Reformen ist das nicht!" Die Kontrahenten scheuen deshalb auch vor untypischen Maßnahmen nicht zurück. So versprach der Vorsitzende der nationalistischen Partei LDPR, Wladimir Schirinowski, eine Amnestie für viele inhaftierte Gefangenen - nach den Präsidentschaftswahlen im kommenden März. Doch hat seine Partei in der Duma immer mit der Regierungspartei abgestimmt. Die Jabloko-Partei schickte als Katzen verkleidete Helfer auf die Straße, die daraufhin festgenommen wurden. Auf dieselbe Art wollte Parteichef Sergej Mitrochin ausmisten, hätte er die Wahlen gewonnen. Doch scheiterte er mit rund 3 % klar an der Sieben-Prozent-Hürde. Hier heißt es, dass man das Ergebnis nicht anerkennen würde. Die Rede des ehemaligen Geheimdienstoffiziers und jetzigen Duma-Abgeordneten für die gemäßigte Oppositionspartei "Gerechtes Russland", Gennadi Gudkow wurde zwar im Fernsehen nicht übertragen und auch in den Zeitungen fand sie keinerlei Erwähnung, entwickelt sich allerdings zum Click-Hit im Internet. Schließlich trifft er die Meinung sehr vieler auf den Punkt: "Unsere Wahlen sind eine Mixtur aus Machtmissbrauch und groß angelegter Fälschung!" Andere hingegen sprechen von "administrativen Ressourcen"! |
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Wie auch immer ging die Putin-Partei als Wahlsieger hervor. Erreicht wurden knapp 50 % - dies bedeutet gegenüber der letzten Wahl vor vier Jahren ein Minus von über 14 % und damit den Verlust der Zweidrittelmehrheit. Künftig sind Putin und Co. somit auf die von ihnen strategisch richtig aufgebauten Marionetten-Parteien angewiesen. Die verloren gegangenen Stimmen sammelten sich die Kommunisten (19 % - plus 8%), sowie die beiden erstmals in der Duma vertretenen Parteien "Gerechtes Russland" (plus 13 %) und die nationalistischen Liberaldemokraten (12 %). Damit kann "Einiges Russland" zwar ohne fremde Hilfe keine Verfassungsänderungen durchführen, doch galt diese Wahl ohnedies nur als Stimmungsbarometer für die Wahl des Staatspräsidenten am 04. März 2012, da die Duma weitestgehend als bedeutungslos eingestuft wird. Putin weiß nun, mit welchem Gegenwind er zu rechnen hat, wenn er das Amt von Medwedew wieder übernehmen wird. Es kommt also zu einer Rochade - Putin wird erneut Staatspräsident, Medwedew Regierungschef. Für erstmals sechs Jahre. Schafft er dann erneut die Wiederwahl. so könnte der ehemalige in Dresden eingesetzte KGB-Spion den Kreml bis 2024 führen. Für sehr viele allerdings viel zu lange. Sie würden am liebsten Russland verlassen! Jüngste Umfragen sprechen von nahezu 22 Prozent - bei den Jüngeren und Akademikern sogar beinahe 50 %. Sie möchten dieser Scheinwelt entfliehen, die seit dem Jahr 2000 kontinuierlich aufgebaut wurde und nur wenige Kilometer außerhalb Moskaus endet. Dort findet man noch das alte Russland. Bis hierher reichten die Reformen des Jelzin-Nachfolgers offenbar nicht! |
TAM-News |
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Online-ZeitungWahlen à la Putin |
06.12.2011 |
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