Die Elfenbeinküste gleicht einem ständig brodelnden, immer mal wieder ausbrechenden Vulkan! Ein Land, das wohl nie zur Ruhe kommt. 2002 spalteten sich Teile der Armee (Forces Nouvelles) von der Regierung ab und brachten den nördlichen Teil des Landes am westlichen Ende des Golfs von Guinea unter ihre Kontrolle. 6.300 UNO-Blauhelme und nochmals 4.500 französische Soldaten sorgten bis zur Unterzeichnung eines Friedensplanes für Ruhe zwischen Nord und Süd. Damals stürmte der Titel "Abidjan est gaté" (Abidjan ist kaputt) die nationalen Hitparaden. Im November 2004 liess Präsident Laurent Gbagbo den Norden erneut aus der Luft angreifen. Dabei kamen auch 9 französische Soldaten ums Leben. Die komplette Luftwaffe (2 Kampfflugzeuge und 5 Kampfhubschrauber) der Elfenbeinküste wurde daraufhin von den Franzosen vernichtet. 2005 unterzeichneten beide Seiten ein Entwaffnungs- und Machtteilungsabkommen. Der Friedensvertrag folgte 2007. Bereits 2008 kam es in mehreren Orten zu gewalttätigen Demonstrationen mit Toten und Verletzten. Seit der vergangenen Woche wütet nun der Bürgerkrieg. Und jetzt dürfte der Song aus dem Jahr 2002 Wirklichkeit werden, denn: Es geht um Abidjan! Vor vier Monaten wurde der bisherige und grossteils verhasste Präsident Laurent Gbagbo abgewählt - den Zuschlag erhielt mit 54,1 Prozent der Stimmen Alassane Ouattara. Doch Ersterer denkt gar nicht daran, die Amtsgeschäfte niederzulegen. Der von ihm dirigierte Verfassungsgerichtshof anullierte eine halbe Million der im Norden abgegebenen Stimmen, da angeblich Anhänger des amtierenden Präsidenten an der Stimmabgabe gehindert wurden. Rund eine Million der Einwohner Abidjans haben ihr Zuhause bereits verlassen. Zu gross ist die Angst vor Plünderungen und den Strassenkämpfen. In der Stadt Duékoué gab es während des Vormarschs der Ouattara-Truppen bei einem Massaker an der zivilen Bevölkerung nicht weniger als 800 Todesopfer (die Caritas spricht gar von 1.000 Toten) - an nur einem Tag! Ob es allerdings die vorrückenden Truppen oder die sich zurückziehenden Einheiten waren - die UNO vermeidet derzeit einseitige Schuldzuweisungen. Die Hauptstadt Yamoussoukro und der Kakao-Exporthafen San Pedro waren bis Donnerstag eingenommen. Der Generalstabschef und die Kommandanten von Polizei, Gendarmerie und Armee sind übergelaufen. Nur zwei Eliteeinheiten verteidigen noch die Regierungsstadt vor dem Ansturm. Und diese leisten erbitterten Widerstand. Geschossen wird dabei offenbar auf alles, was sich bewegt. So wurden 4 UNO-Soldaten bei einem humanitären Einsatz in der Wirtschaftsmetropole durch Milizen Gbagbos schwer verletzt. Dieser liess verlauten, dass er lieber sterben als aufgeben werde. Vermittlungsversuche der Präsidenten Kenias, Ghanas und Nigerias sind gescheitert; die US-amerikanische Aussenministerin Clinton forderte den Eingeschlossenen zur Aufgabe auf und bot ihm Exil in den USA an. Sein Kontrahent sicherte freies Geleit zu. Experten sowie Menschenrechtsorganisationen erwarten eine Eskalation der Lage und befürchten einen ähnlichen Völkermord wie damals in Ruanda, bei welchem mehr als 800.000 Menschen niedergemetzelt wurden. Am internationalen Kakao-Markt wird eine Verteuerung um bis zu 6 % erwartet. Der weltweit grösste Schokoladenhersteller Barry Callebaut produziert in seinen afrikanischen Fabriken zwar weiter, hat dies allerdings auf Standorte ausserhalb der Elfenbeinküste verlagert, da nach wie vor ein Exportverbot gegen die Regierung Gbagbos besteht. Kakaobohnen können bis zu eineinhalb Jahre gelagert werden. Rund 500.000 Tonnen Kakao aus der letzten Ernte sind eingelagert. Sie werden schon recht bald dringend gebraucht. Die Elfenbeinküste und Ghana decken etwa 2/3 des weltweiten Kakao-Marktes ab. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 12 KW 14 | 06.04.2011 |
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