Auch wenn Kanzlerin Angela Merkel betont, dass Rheinland-Pfalz unter Wert regiert werde, so konnte doch der Sozialdemokrat Kurt Beck erneut seinen Wert in der Bevölkerung unter Beweis stellen. Er ist nach wie vor beliebt wie kein anderer, obwohl schon langsam an seinem Lack gekratzt wird. Verantwortlich dafür ist die Spitzenkandidatin der Union, Julia Klöckner. SPD-Bundesparteichef Sigmar Gabriel sieht in Rheinland-Pfalz das Vorzeigeland in Sachen sozialdemokratischer Bildung: "Vom Kindergarten, von der Kindertagesstätte bis zur Universität. Das ist wirklich was, was Schule machen wird in Deutschland!" Kein Wunder, investierte doch zuletzt die Regierung Beck rund ein Drittel des Landeshaushaltes in die Bildung. Doch sollte dies nicht wirklich zum wahlentscheidenden Faktor werden. Die SPD hat - was niemand im Vorfeld für möglich gehalten hätte - deutlich verloren. Nurmehr ein Mandat wird sie künftig von der Union im Landtag trennen. Damit haben die Wähler ein klares Machtwort gesprochen - doch wo liegen die wahren Ursachen für das Minus von beinahe 10 %? Denn schliesslich gab es am bisherigen Ministerpräsidenten Kurt Beck nichts zu rütteln, was durch die Umfragen vor den Wahlen bestätigt wurde! Dieser schiebt nun der Bundesregierung den Schwarzen Peter zu und erhebt schwerwiegende Vorwürfe: Die Bundesregierung handelt in ihrer Atompolitik "...aus rein wahltaktischen Gründen!" Er befürwortet - zumindest in seinem Bundesland - den kompletten Ausstieg aus der Kernkraft! War es etwa das Debakel am Nürburgring, bei welchem in ein Freizeitzentrum Millionen an Steuergeldern geflossen sind? Oder ist in dem bislang immer abwertend als "Land der Reben und Rüben" bezeichneten Rheinland-Pfalz einfach die Konkurrenz besser geworden!? Die junge Herausforderin der Union, die ehemalige Weinkönigin Julia Klöckner, machte es dem altgedienten Polithasen Beck nicht gerade einfach. So endete das Fernsehduell unentschieden! Experten bezeichnen dies durchaus als Erfolg für die 38-jährige. Sie ist ein "politisches Gesamtkunstwerk" (Prof. Ulrich Sarcinelli, Universität Koblenz-Landau), die es versteht, ein unheimlich breites politisches Spektrum ebenso breitgefächert abzudecken. Und über ihre Schlagfertigkeit wissen Gegner Geschichten zu erzählen. Klöckner sieht diese Wahlen als persönlichen Erfolg. Schliesslich konnte sie Stimmen hinzugewinnen und schwamm damit klar gegen den bundesweiten CDU-Trend. Andererseits kam sie dem beinahe schon in Stein gemeiselten Kurt Beck so nahe, wie schon lange kein Unions-Politiker mehr. Trotzdem bleibt die CDU in Opposition, da es keinen möglichen Koalitionspartner gibt. Zu weit auseinander liegen die Positionen mit den Grünen. Diese feiern auch in Rheinland-Pfalz ihre zweite Geburt. Nicht nur, dass sie wieder im Landtag vertreten sind, haben sie ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. Sicherlich liegt der Grund vornehmlich in der laufenden Kernkraft-Diskussion. Doch auch der Einsatz gegen den Hochmoselübergang, einer riesigen Mosel-Brücke, die den Hunsrück mit der Eifel verbinden soll, dabei aber mitten durch eine der besten Riesling-Anbaugebiete an der Mosel führen würde, wird sehr viele Stimmen eingebracht haben. Nun heisst es für die beiden grünen Parteichefs Eveline Lemke und Daniel Köber, die Interessen in der bevorstehenden Regierungskoalition mit Becks SPD klar abzustecken. Schliesslich gibt es neben der Brückenfrage (Mosel und Mittelrhein) noch einen weiteren Knackpunkt zur Linie der Sozialdemokraten: Die Schliessung der Bundeswehrstützpunkte! Während die Grünen für die sofortige Schliessung plädieren, sehen die Damen und Herren der SPD dadurch ganze Landstriche wirtschaftlich gefährdet und fordern deshalb eine Aufschiebung des Vorhabens. Übrigens entstammt auch Lemke mehr dem bürgerlichen als dem typisch grünen Lager. Für Guido Westerwelle von der FDP hingegen hat die Glocke die letzte Runde eingeläutet. In Hamburg nur aufgrund der charismatischen, stellvertretenden Landesvorsitzenden Sylvia Canel den Einzug ins Stadtparlament geschafft, in Sachsen-Anhalt an den 5 % gescheitert. Die parteiinternen Westerwelle-Gegner in Baden-Württemberg haben gerade noch mal die Kurve in den Landtag gekratzt - in Rheinland-Pfalz hingegen ist Schluss mit lustig. Nahezu 50 % der bisherigen Stimmen verloren - der Landtag in Mainz wird künftig ohne Liberale auskommen müssen. Sie waren eigentlich der Hoffnungsschimmer der CDU für eine mögliche Koalition gegen Beck. Es wird nun mehr als eng um den deutschen Aussenminister! Die Linke schaffte ebenso wie in Baden-Württemberg nicht den Einzug ins Landes-Parlament. Nettes Detail zum Schluss: Im TV-Duell der Spitzenkandidaten ergab eine mehr als interessante Konstellation: Der Sozialdemokrat Beck äussert seine Bedenken zur Sicherheit der Atommeiler entlang des Rheingrabens, ebenfalls eines Erdbebengebietes. Da wird er von der Christdemokratin Klöckner aufgefordert, gemeinsam für den Ausstieg aus der Kernkraft und für das Zeitalter der Erneuerbaren Energien zu arbeiten.
Das amtliche Ergebnis: SPD: 35,7 % (-9,9) - 42 Sitze CDU: 35,2 % (+2,4) - 41 Sitze Grüne: 15,4 % (+10,8) - 18 Sitze FDP: 4,2 % (-3,8) Linke: 3,0 % (+3)
Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 11 KW 13 | 30.03.2011 |
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