In China laufen die Uhren noch etwas anders. Auch wenn sich einige sog. "Volksvertreter" nach wie vor nicht mit dem Gedanken anfreunden können, die Marktwirtschaft und damit auch die Zivilisation in das riesige Reich zu lassen, sondern sich am liebsten auch weiterhin hinter verschlossenen Türen im Kreise der elitären Mao-Kommunisten zu treffen (weit weg vom Gedanken "Alle Macht dem Volke"). Nur allzu gut in Erinnerung ist das Tian'anmen-Massaker vom 3. und 4. Juni 1989, als Studentenproteste am "Platz des Himmlischen Friedens" blutig durch das Militär beendet wurde. Nach wie vor werden Regime-Kritiker eingekerkert und Journalisten (auch wenn sie aus dem Ausland kommen) zensuriert. So wurden mindestens drei Männer und eine Frau bei Demonstrationen festgenommen. Jener Reporter der Deutschen Presseagentur, der dies fotografierte wurde gezwungen, die Bilder zu löschen, ein Korrespondent des Magazins Stern wurde für drei Stunden festgehalten. Die Tageszeitung "Beijing Daily" schrieb dieser Tage, dass die durch die kommunistische Partei gewährte Stabilität niemals bedroht werden dürfe, da dies in der Katastrophe enden wird. Premier Wen Jiabao bezeichnet den soeben präsentierten Fünfjahresplan (2011 bis 2015) als grossen Erfolg und durchaus revolutionierend. Mit diesem Plan versucht das Regime, derzeit gerade aufkommende Proteste in der Bevölkerung sofort im Keim zu ersticken! So meinte "Wen yeye" (Opa Wen, wie er liebevoll im Volksmund genannt wird) vor einigen Tagen in einem Internetchat, dass er die Lebensmittelpreise jeden Tag checke und deshalb "nicht erlauben wird, dass die Preise ausser Kontrolle geraten!" Das muss genügen! Unsereins hätte sofort die Frage nach dem Preis eines Liters Milch hinterher geschossen! Zum ersten und wahrscheinlich auch letzten Mal! Die Lebensmittelpreise sind binnen kürzester Zeit um nicht weniger als zehn Prozent gestiegen. Das wird die kleine chinesische Bauernfamilie in Hubei oder Jangxi finanziell nicht mehr lange verkraften. China überholt sich derzeit wirtschaftlich selbst! Auf der Strecke bleiben - die Chinesen. Was über Jahrzehnte hinweg verboten war, wird nun auf Biegen und Brechen innerhalb kürzester Zeit nachgeholt! Doch das soll nun (glaubt man dem Fünf-Jahresplan) anders werden. So soll der Profit durch höhere Einkommen besser verteilt werden, die Einkommenssteuergrenze wird angehoben. Allen Chinesen soll dadurch zu moderatem Wohlstand verholfen werden. Fragt sich nur, was der Sprecher des Nationalkongresses Li Zhaoxing, der diese magischen Worte sprach, unter "moderat" versteht! Die Preise sollen allesamt durch staatliche Massnahmen ("oberstes Prinzip der makroökonomischen Kontrolle") stabilisiert und das Wirtschaftswachstum gedrosselt werden. So droht bei einer Fortführung der zuletzt 10,3 % nicht nur eine Überhitzung der Wirtschaft, sondern auch das Kippen der Umwelt, da an der Nachhaltigkeit vorbeiproduziert wird. So soll der Energieverbrauch pro erwirtschafteten Yuan um 16 bis 17 % verringert werden. Angestrebt ist ein weiteres Wachstum von 7 % (im Vergleich dazu betrug die Zunahme des Bruttoinlandproduktes in Deutschland im Jahr 2010 3,6 %). Entscheidend hierbei ist auch das "Weg vom Export - hin zum Binnenmarkt". Die grösste Sorge bereiten den Staaten dieser Erde jedoch die Aufrüstungspläne. So werden bereits im laufenden Jahr die Militärausgaben um 12,7 % auf nicht weniger als 601,1 Milliarden Yuan angehoben. Dies entspricht rund 65,6 Milliarden Euro! Strategie-Experten aus den USA sehen als Hintergund einerseits die Ereignisse in den arabischen Staaten - das Regime möchte sich hierdurch die Unterstützung des Militärs sichern - und andererseits in der Bedrohungspolitik gegenüber der Nachbarstaaten sowie der USA und des Erzfeindes Taiwan. Der Volkskongress gilt als das höchste Gremium des Landes. Die rund 3.000 durch kleinere Volkskongresse abgesandten Vertreter, bestätigen die Regierung, segnen Gesetze ab, beschliessen den Haushalt und diskutieren über wichtige Angelegenheiten im Reich der Mitte. Doch die wichtigen Entscheidungen werden bereits vorher durch das Politbüro gefällt. Deshalb wird es auch wenig verwunderlich sein, wenn die Abgeordneten durch einstimmiges Nicken den Fünf-Jahresplan am 14. März verabschieden werden. Seit 1954 wurde noch kein einziger Gesetzesvorschlag abgelehnt. Im Vorfeld des Jahrestreffens wurden zahlreiche Bürgerrechtler oder Regimekritiker festgenommen und die Sicherheitsvorkehrungen hinaufgefahren. Peking gleicht derzeit einer Festung! Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 8 KW10 | 09.03.2011 |
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