In diesen Nachmittagsstunden haben Talibaneinheiten nahe der afghanischen Stadt Kundus zwei vollbeladene Tanklaster überfallen und entführt. Beim Überqueren des Flusses Kundus jedoch bleiben die Fahrzeuge in einer Sandbank liegen. Deutsche Truppen, die in der Nähe stationiert sind, verfolgen das Geschehen mittels Aufklärungsdrohnen. Gezählt werden rund 70 Taliban-Kämpfer und Zivilisten aus den umliegenden Dörfern. Der befehlshabende Offizier, Oberst Georg Klein befürchtet einen Angriff auf das deutsche Lager und fordert über das Nato-Hauptquartier Luftunterstützung an. Gegen 02.00 Uhr Ortszeit bombardieren zwei US-amerikanische Kampfflugzeuge das Gebiet. Über die Zahl der Toten herrscht auch heute - beinahe eineinhalb Jahre nach dem Angriff - Unklarheit. Die Bundeswehr spricht von 91, die NATO von 142 Toten oder Schwerverletzten. Sehr viele davon waren Zivilisten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer ersten Regierungserklärung zu diesem Fall am 08. September eine lückenlose Aufklärung versprochen! Dieser Tage musste sie vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Ihr wird vorgeworfen, kurz vor den Bundestagswahlen Informationen absichtlich zum eigenen Nutzen zurückgehalten zu haben. Unmittelbar nach seinem Dienstantritt hatte der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan entlassen und seinen Staatssekretär, Peter Wichert aufgrund unzureichender Information des Ministers beurlaubt. Merkel wies alle Bechuldigungen in ihrer Aussage vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages von sich. Sie habe den damaligen Verteidigungsminister, ihren Parteikollegen Franz Josef Jung (CDU) gemahnt, eventuelle zivile Opfer nicht auszuschließen. Auch der Vizekanzler und Aussenminister zu diesem Zeitpunkt, Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte im Rahmen seiner Darstellung bereits vor der Kanzlerin darauf hingewiesen, dass die Aufklärungslage "unklar, diffus und zum Teil widersprüchlich" gewesen sei. Er habe ebenfalls auf mögliche zivile Opfer hingewiesen. Merkel widerspricht den Aussagen, wonach sie im Vergleich zu ihrer damaligen Regierungserklärung wortbrüchig geworden sei. Die lückenlose Aufklärung sei durch den Abschlussbericht der NATO-Untersuchungskommission geschehen. Kanzlerin Angela Merkel war somit die letzte von insgesamt 40 Zeugen, die von dem seit über einem Jahr tagenden Ausschuss gehört wurden. Somit ist nicht wirklich davon auszugehen, dass der Abschlussbericht ein neues Licht in dieses traurige Kapitel bringen wird. Die meisten der Opferfamilien haben inzwischen Geld von der Bundesregierung erhalten. Dies aber ist dem Bremer Anwalt Karim Popal zu wenig. Er vertritt die Hinterbliebenen. In den weiteren Verhandlungen gilt es abzuklären, wie viele der Opfer tatsächlich Zivilisten gewesen sind, da eine lückenlose Dokumentation nur bei 113 Personen möglich war. Die anderen hatten keine Papiere dabei! Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 5 KW 7 | 16.02.2011 |
|