Der 1946 in Beuren/Baden Württemberg geborene Jurist, Völkerrechtler, Betriebswirtschafter sowie Zeitgeschichtler leitet seit 2008 die Münchner Sicherheitskonferenz. Als solcher wurde er im Auswärtigen Amt im Hinblick auf diese spezielle Position beurlaubt. Ischinger ist Generalbevollmächtigter der Allianz SE, Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und des Beirates der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) sowie im European Council on Foreign Relations (ECFR) vertreten (um nur einige zu nennen)! Bei ihm trifft der Ausdruck "ein wichtiger Mann" voll ins Schwarze. Der erfolgreiche Gesandte bzw. Diplomat war in den Jahren 1973 - 75 im Kabinett des damaligen UN-Generalsekretärs Kurt Waldheim vertreten. In den 90er Jahren leitete er die deutschen Delegationen bei den Bosnien-Friedensverhandlungen, den NATO-Russland-Gesprächen sowie während der Kosovo-Krise. 1998 wurde Ischinger zum Staatssekretär ernannt. Vor seiner Beurlaubung war er deutscher Botschafter in Washington und London. Wie der Mann bei all diesen Tätigkeiten überhaupt noch Zeit für seine Familie hat (verheiratet mit der Journalistin Jutta Falk-Ischinger und Vater dreier Kinder), das fragt sich wahrscheinlich so manch einer. 1962 gründete der Verleger Ewald von Kleist die "Wehrkundetagung" mit dem Ziel der Reflektion über die sicherheitspolitischen Bedrohungen im euro-atlantischen Raum. Inzwischen jedoch hat sich das jährliche Treffen zur weltweit wichtigsten internationalen Konferenz für Sicherheitspolitik entwickelt. Es wird debattiert und analysiert- stets mit dem Blick in die Zukunft. Bei der 47. Konferenz in diesem Jahr sollte deshalb dem Begriff der "Vernetzten Sicherheit" zentrale Bedeutung zukommen. Doch rückten die aktuellen Ereignisse in den arabischen Staaten, allen voran selbstverständlich Ägypten, immer mehr in den Vordergrund. So wurde kurzfristig am Samstagabend eine Aktuelle Stunde auch mit Vertretern des Nahen Ostens und Israels anberaumt. Daneben tagte am Rande der Konferenz auch ein "Nahost-Quartett" (Vertreter der EU, der Vereinten Nationen,der USA sowie Russlands). Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg etwa appellierte in seiner Rede an die Staatengemeinschaft Europas, ihren Einfluss im Nahen Osten zu nutzen, um den Umbruch in den arabischen Staaten friedlich zu gestalten. Die Liste der Teilnehmer liest sich wie ein Who is Who der weltweiten Politik: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, US-Aussenministerin Hillary Clinton, der britische Premierminister David Cameron, der georgische Präsident Micheil Saakaschwili sowie grosse Teile der deutschen Bundesregierung, angeführt von Kanzlerin Angela Merkel. Der Bayrische Hof als Tagungsort platzte sozusagen aus allen Nähten. So mancher Politiker benötigte allerdings aufgrund des diesjährigen Schwerpunktthemas einen Computerexperten an seiner Seite. "Cyber Security" - ein Bereich, dem künftig immer mehr Gewicht zukommen wird, zeigte doch zuletzt der Computerwurm Stuxnet auf, wie anfällig dieses globale Netzwerk sein kann. Gefährlich wird es dann, wenn auch die militärischen Systeme dieser Welt davon betroffen sind. Ausserdem wurde über die sicherheitspolitischen Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie über die Situation in Afghanistan diskutiert. So warnte NATO-Generalsekretär Rasmussen davor, die Einschnitte in den Verteidigungsbudgets zu tief werden zu lassen, denn ansonsten "werden wir nicht in der Lage sein, die Sicherheit zu verteidigen, auf der unsere demokratischen Gesellschaften und unsere Wirtschaft aufbauen!". Doch ist diese Konferenz nicht etwa deshalb in die Geschichte eingegangen. So übergaben die Aussenminister der USA (Hillary Clinton) und Russlands (Sergej Lawrow) einander die Ratifikationsurkunden des START-Nachfolgevertrags zur Begrenzung der nuklearen Arsenale. Die beiden Atommächte besitzen nach wie vor mehr als 90 % aller Nuklearwaffen dieser Erde. München glich übrigens am Wochenende einer Festung. 3.400 Polizisten sorgten für den reibungslosen Ablauf der Konferenz. Am Freitag protestierten rund 80 Demonstranten gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Am Samstag zogen etwa 3.200 Menschen (Angaben der Polizei) im Rahmen eines friedlichen Protestmarsches durch die Stadt. Doch verliefen die Aktionen durchwegs friedlich. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 4 KW 6 | 09.02.2011 |
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