In den 1960/70er Jahren tobte die Emanzipation der Frau auf ihrem Höhepunkt! So mancher Mann zog damals Vergleiche mit dem Sturm auf die Bastille, die schliesslich die Französische Revolution auslöste. Auch das mit den Grundsätzen "Liberté, Egalité, Fraternité" ist in diesem Vergleich gar nicht so weit hergeholt. Damals dachte wohl jeder, dass die Gleichstellung der Frau im westlichen Europa nun endlich vollzogen und ganz Europa männlich UND weiblich ist! Ganz Europa? Nein - mitten drin befindet sich die kleine eidgenössische Republik Schweiz, wo dies noch nicht der Fall war! Erst eine Klage von Frauenverbänden aus dem Kanton Appenzell-Innerrhoden ermöglichte den Frauen ab 1990 die Ausübung des Stimmrechtes, obwohl das Bundesgesetz bereits 1971 in Kraft getreten ist! Doch wer nun glauben sollte, dass seitdem eitel Sonnenschein herrscht, der irrt! So klafft die Einkommensschere zwischen Mann und Frau in manchen Teilen Deutschland immens weit auseinander. Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor rar gesät (unter 182 Vorständen der 30 grössten Unternehmen Deutschlands befinden sich nur vier Frauen)! Und nun streut ausgerechnet die höchste Frau im Staate noch Salz auf die offene Wunde: Nein zur Frauenquote! Angela Merkel (CDU) widerspricht damit ihrer Partei-Kollegin, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Eine gesetzliche Quote sei mit den Koalitionspartnern von der CSU und FDP nicht durchsetzbar. Die Wirtschaft müsse hier eigene Fortschritte vorbringen, betonte die Bundeskanzlerin vor der entscheidenden Kabinettssitzung dieser Tage. Im Vorfeld dieser Aussage gab es eine heftige Diskussion innerhalb der Regierungsparteien. Von der Leyen hatte bis zum Jahr 2018 eine verbindliche Quote von mindestens 30 % bei der Besetzung von Vorstands- und Aufsichtsratsposten der börsennotierten Unternehmen eingefordert. Dies alles auf Basis des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1980. Frauenministerin Kristina Schröder schloss sich dieser Forderung zwar an, jedoch plädierte sie für eine flexible Handhabung der Quote - je nach Situation im entsprechenden Unternehmen. Die CSU sowie die FDP lehnen ein solches Gesetz partout ab. So betonte etwa Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), dass ein gemeinsamer Weg mit den mittelständischen und grossen Unternehmen gefunden werden müsse. Er schlägt einen "Pakt für Frauen" vor. Bereits davor meinte FDP-Chef Guido Westerwelle gegenüber der Kanzlerin, dass die liberalen Minister eine "Zwangsquote für die freie Wirtschaft nicht akzeptieren werden"! Die Grundüberlegung, die vonseiten der Wirtschaft und Industrie immer wieder diesbezüglich angestellt wird, ist: Ich habe einen Vorstandsposten zu besetzen, habe drei Kandidaten, die es in die engste Auswahl geschafft haben (darunter nur eine weibliche Bewerberin - die "Quotenfrau"). Da bei der Besetzung der anderen Posten nicht an die gesetzliche Quote gedacht wurde, muss diese Position nun mit einer Frau besetzt werden, auch wenn ihre männlichen Kontrahenten fachlich vielleicht qualifizierter wären. Daneben gibt der Ausdruck "gleiche Qualifikation" einen weiten Interpretationsspielraum! Was steckt nun hinter dieser Merkelschen Aussage, die eigentlich ganz und gar nicht weiblichen Ursprungs ist!? Das Jahr 2011 ist ein Wahljahr! In nicht weniger als neun Bundesländern finden Landtags- bzw. Kreistags- oder kommunale Wahlen statt (den Beginn macht bereits am 20. Februar Hamburg). Dabei geht es um gundsätzliche Entscheidungen zwischen schwarz und rot. Was bleibt bei der CDU/CSU und was bei der SPD - die Auswirkungen für die Bundespolitik sind v.a. im Bundesrat (der Länderkammer) zu bemerken. Auch wenn es dabei um die Regional- bzw. Landespolitik geht, so beeinflusst immer auch das Treiben der Bundespolitik die Wählergunst auf dieser Ebene. Und hier gerieten sich v.a. die CDU und die FDP zuletzt immer wieder in die Haare. Anlass dafür waren der Dioxin-Skandal, die Wehrpflichtdiskussion, ... Merkel möchte nun Ruhe in die Bundespolitik bringen, damit v.a. die Landtagswahlen emotionslos und sachlich abgehalten werden können. Hierdurch beugt sich die Vorzeige-Frau Deutschlands einer frauenfeindlichen Entscheidung, damit nicht auch noch zwischen den Wählern ihrer eigenen Partei eine Diskussion entsteht, die v.a. dazu führen kann, dass weniger Stammwähler zur Urne schreiten und damit Erdrutschsiege der anderen Parteien möglich werden. Fakt hingegen ist, dass sich auch Deutschland nicht mehr länger einer Quote - in welcher Form auch immer - entziehen können wird (eine Entscheidung dürfe nicht bis zum "Sankt-Nimmerleins-Tag" verschoben werden, heisst es aus dem Kanzlervilla). Entsprechende Beschlüsse werden nach den Nachbarn Frankreich, den Niederlanden und Dänemark nach und nach in ganz Europa gefasst! In Skandinavien liegt etwa die Frauenquote bereits bei 44 %. Wird also nicht die Wirtschaft endlich reagieren, so wird wohl kein Weg an einer gesetzlichen Regelung vorbeiführen. Industrie und Handel fordern inzwischen eine bessere Kinderbetreuung anstelle einer Reglementierung, damit die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf leichter wird. Kinderbetreuungsstätten, die zu Mittag oder am frühen Nachmittag schliessen, kommen damit der Quote nicht wirklich entgegen. Dieser Meinung schliesst sich auch FDP-Chef Westerwelle an. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer zeigt sich hingegen zufrieden: Im deutschen Mittelstand würden vier von zehn Unternehmen von Frauen gegründet. Somit haben 160.000 Firmen, die jährlich neu entstehen einen weiblichen Chef. Nach der Aussage des DIHK-Präsidenten Hans Heinrich Driftmann ist dies eine Steigerung von 30 auf 40 % seit 2001. Und was sagen die anderen Parteien zu diesem Thema: Die SPD fordert eine Quote von 40 %, die Grünen sind für eine "harte Quote" (also eine 50:50-Lösung und exerzieren dies auch parteiintern vor) und die Linke möchte eine stufenweise paritätische Besetzung. Ein deutsches Quoten- oder Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft scheiterte bislang am Widerstand der Unternehmerverbände. Die 2001 geschlossene Vereinbarung auf freiwilliger Basis zwischen der Wirtschaft und der Bundesregierung ist weitestgehend unbekannt oder wird ignoriert und gilt deshalb schon seit langem als gescheitert. Am Ende der Amtszeit Angela Merkels wird sich so manche Wählerin fragen: Was hat die erste Frau im Staat für uns Frauen getan? Auch wenn ein Drittel der Bundsregierung weiblich war! Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 4 KW 6 | 09.02.2011 |
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