Unbestritten ist jedoch, dass mit der Verwendung von nicht angeführtem Pferdefleisch das Vertrauen der Konsumenten durch diese Geschäftemacher großflächig missbraucht wurde. Dabei sind die Hersteller des fertigen Produktes vielleicht gar nicht dafür zur Verantwortung zu ziehen - außer sie haben vorsätzlich Pferde- anstelle des Rindfleisches angekauft. Nichtsdestotrotz könnten auch solche Firmen öfters unangemeldete Stippvisiten bei ihren Partnerunternehmen durchführen. Die General-Schuld tragen vielmehr die vielen Zuliefererbetriebe. Hier wird zumeist Schindluder getrieben, das in den meisten Fällen gar nicht an's Tageslicht kommt.
Wer weiß etwa, wie lange dieser Pferdefleisch-Skandal bereits läuft? Britische Experten sollen nach einem Bericht der "Times" schon im Jahr 2011 vor Unregelmäßigkeiten gewarnt haben. Damals entdeckten die Lebensmitteltechniker der Kontrollbehörde FSA Medikamentenrückstände im Pferdefleisch. Dies sollte eigentlich durch das seit dem Jahr 2009 geltende Pferdepasssystem ausgeschlossen werden. In diesem Dokument müssen neben den individuellen Daten des Tieres auch die verabreichten Medikamente angeführt werden. Anhand derer wird dann entschieden, wann bzw. ob der Vierbeiner überhaupt geschlachtet werden darf. Doch der Brief an den zuständigen Ernährungsminister Jim Paice blieb unbeantwortet und ohne Folgen. Solche Pässe werden in Deutschland durch Pferdezüchter- oder Reitsportverbände ausgestellt. Soweit auch die Vermutung des Deutschen Fleischerverbandes: Illegal geschlachtete Pferde werden auf diese Weise gewinnbringend "entsorgt", da Pferdefleisch ansonsten ja teurer ist als Rindfleisch. In den USA und Mexiko beispielsweise gelangen auch Rennpferde in die Nahrungskette - beide exportieren übrigens Pferdefleisch nach Europa.
In den Labors herrscht rege Betriebsamkeit. Die Lebensmittelchemiker stellten in sehr vielen Tiefkühlprodukten aber zunehmend auch in Dosen bzw. gekühlten Fertigwaren Pferdefleischanteile fest. Entsprechende Lebensmitteltests sind recht aufwendig, muss doch eine DNA-Analyse durchgeführt werden. Neben solchen EU-weit rund 2.250 Proben wird auch legales Pferdefleisch auf Rückstände des Arzneimittels Phenylbutazon hin überprüft.
Die Reversibilität der Kulinarik: Alles Pferd, oder was?
Da bekommt "Ein Fiaker-Gulasch, bitte!" eine komplett andere Bedeutung!
Die Zugabe von Tiermehl zum Futter verursachte zu Beginn des Jahrtausends den BSE-Skandal. Unmoralische Geschäftemacher brachten 2005/2006 Gammelfleisch auf den Markt. Verseuchtes Futter war verantwortlich für den Dioxinskandal vor zwei Jahren. Und jetzt der Pferdefleisch-Skandal! Skrupellose Lebensmittelkriminelle nutzen jede sich bietende Möglichkeit Geld zu scheffeln. Ethik oder Moral hat in diesem umstrittenen Job des Nahrungsmittelpanschers nichts zu suchen.
Ende Januar 2013 stellten britische Lebensmittelkontrolleure in Lasagne-Tiefkühlprodukten einer Marke teils bis zu 100 % Pferdefleisch fest, obwohl auf der Verpackung "Beef", also Rindfleisch zu lesen stand. Das Unternehmen bedauerte den Vorfall und schob den Schwarzen Peter dem Fleischlieferanten aus Frankreich zu. Die Ermittler stießen bei ihren Untersuchungen auf ein Büro in Brüssel, das anscheinend als Drehscheibe des europäischen Pferdefleischhandels galt. Das Fleisch der Tiere wurde aus Argentinien und v.a. Rumänien angekauft, umdeklariert und so in den Umlauf gebracht. In Rumänien wurden nach einem neuen Gesetz Esel- und Pferdekarren verboten - Millionen Tiere landeten alsdann in den Schlachthäusern.
Alleine 180.000 solcher Lasagne-Packungen sollen nach Deutschland geliefert worden sein. Gerade in Tiefkühlprodukten fällt es zumeist niemandem auf, wenn wie hier das Rind- durch Pferdefleisch ersetzt wurde. Pferdefleisch ist an sich auch genießbar und nicht schädlich. Wäre da nicht das ethisch-kulinarische Grundverständnis sehr vieler der heimischen Konsumenten und Konsumentinnen, dass zwischen Nutz- und Schlachttieren zu unterscheiden ist. Und wäre da nicht auch der unbändige Geldrausch der Verantwortlichen. So wurden zudem Rennpferde auf diese Weise verwertet. Diese Pferde sind - auch wenn so mancher Rennstallbesitzer nicht müde wird, das Gegenteil zu behaupten - zumeist mit Antibiotika und Dopingmitteln vollgepumpt. Gelangt nun das auf diese Weise kontaminierte Fleisch in die Nahrungskette, so können diese Medikamente beim Menschen zu Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, wie etwa Blutungen bzw. Magenschleimhautgeschwüren führen.
TAM-News |
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Online-ZeitungAlles Pferd, oder was? |
20.02.2013 |
Info:
Das Bundesverbraucherministerium hat eine Hotline eingerichtet. Besorgte Konsumenten können sich unter 0228/24 25 26 27 (Mo-Do 08.00-18.00 Uhr) informieren oder eine Mail an info@verbraucherlotse.de senden. Produkte, die bereits aus dem Sortiment des Händlers entfernt wurden, können dort zurückgegeben werden, der Kaufpreis wird erstattet.
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