Proteste in Amerika | 06.10.2011 |
Soziologen haben schon längst erwartet, dass das Fass überlaufen wird! Es war sozusagen nur eine Frage der Zeit, wann sich das Volk gegen die immer grösser werdende Schere zwischen arm und reich zur Wehr setzen wird. Nun ist offenbar dieser Zeitpunkt gekommen - die Protestbewegungen werden noch stark an Zulauf gewinnen und sich über das ganze Land ausbreiten. Einige sprechen sogar vom "American Autumn" - in Anlehnung an den "Arabischen Frühling". Und doch ist in all dieser Tragik eine Tatsache wirklich komisch: Ausgelöst haben diese Demonstrationen eine Hand voll Studenten, die ihre Zelte im New Yorker Zuccotti-Park am Broadway aufgeschlagen haben und mit Parolen wie "Gleichheit, Demokratie, Revolution!" oder "Rettet unsere Republik" zum Protest aufriefen: "Occupy Wall Street" - besetzt die Wall Street, das Finanzviertel New Yorks. Immer mehr Menschen beteiligten sich an dieser Bewegung! Bei einer Kundgebung musste die Brooklyn-Bridge für mehrere Stunden gesperrt werden, 700 Personen wurden vorübergehend festgenommen (Ordnungswidriges Verhalten und Blockade einer öffentlichen Straße). Die Busfahrer des öffentlichen Personennahverkehrs haben übrigens inzwischen die Polizei verklagt, da diese Busse angefordert hatte, um die Festgenommenen zu transportieren.
Trotzdem nahm die Politik das Treiben noch nicht wirklich ernst! Jetzt aber haben sich Berufsgruppen, Nachbarschafts- und Mietervereine sowie die Gewerkschaften mit den Streikenden solidarisiert. Arbeiter wollen von ihrem Lohn leben können! Der bunte Haufen von Umwelt- und Tierschützer, Abtreibungs- und Todesstrafengegner, Sozialreformer und linken Revoluzzern wird durch klar strukturierte und schlagkräftige Organisationen abgelöst - nun ist die Wende eingetreten. Aus wenigen Tausend könnten Hunderttausende werden, in allen größeren Städten muss mit Demonstrationen gerechnet werden. Auch in Los Angeles, Boston und Chicago sind die Menschen bereits auf den Straßen. Die Gegenwart hat die Vergangenheit überholt. Der amerikanische Traum ist durch die Gier einiger Weniger zunichte gemacht worden.
Die Vereinigten Staaten haben politischen Nachholbedarf! Das Wort "Sozialist" gilt noch heute als Schimpfwort. Die beiden Großparteien der Republikaner und der Demokraten versuchten bislang, alle möglichen politischen Tendenzen entweder zu vereinnahmen oder abzuwehren. Eine grüne Bewegung, die wie in Europa zum Parteienstatus aufgestiegen ist, gab es niemals. Die Präsidenten versuchten sich stets, nach dem Willen des Volkes zu richten. Dass dies aber zumeist jener der Reichen des Landes war, erscheint als logisch, ist doch ein Wahlkampf unheimlich teuer - hoch lebe deshalb der Lobbyismus. Es gab Zeiten, da galt es als offenes Geheimnis, dass die Präsidentschaft zwischen Coca und Pepsi Cola entschieden wurde. Explodierten die innenpolitischen Probleme, trat die USA verstärkt in einem Krisenherd dieser Welt auf. Das stärkte das Bewusstsein der Nation, Probleme wurden dadurch zur Seite geschoben. Eine sozialdemokratische Denkweise ist niemals eingeschlagen worden. Ganz im Gegenteil - erzkonservative Gedanken fanden durch die republikanische Tea Party und deren derzeitiges Sprachrohr Sarah Palin immer mehr Anhänger.
Der Demokrat Obama versuchte zuletzt, die Zustände im Land zu verbessern, scheiterte jedoch in beinahe allen Belangen. Hinzu kam die Immobilien- und Wirtschaftskrise und auch die Zahlungsunfähigkeit der USA, die im wahrsten Sinn des Wortes "in letzter Sekunde" abgewehrt werden konnte. Das Land befindet sich wirtschaftlich und politisch am Boden. Für außenpolitische Auftritte, wie damals im Irak oder Afghanistan, fehlt das Geld. Nicht mal der Sieg gegen den Erzfeind Gaddafi konnte als Erfolg der Vereinigten Staaten verbucht werden. Das Selbstbewusstsein ist stark angeknackst! Im kommenden Jahr sind Präsidentschaftswahlen. Wer oder was soll gewählt werden? Präsident Barack Obama trat an, um gegen die Missstände im Land vorzugehen. Jetzt nimmt sich das Volk offenbar selbst der Sache an!
Ulrich Stock
Es war nur eine Frage der Zeit,
wann sich das Volk zur Wehr setzen wird.
Das Wort "Sozialist" gilt noch
heute als Schimpfwort.
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