Der türkische TV-Sender NTV berichtet inzwischen davon, dass das Regime Assads den Truppen befohlen hätte, zehn Kilometer Abstand zur türkischen Grenze einzuhalten. Ob dies der Wahrheit entspricht, ist noch nicht nachgewiesen. Nach dem ersten Zwischenfall hat der syrische UN-Botschafter Baschar al-Dschafari im Auftrag der Regierung sein Beileid ausgesprochen - für die Familie, die nahezu komplett ausgelöscht wurde. Es solle jedoch nicht als politische Entschuldigung verstanden werden. Die Rebellen verfügen offiziell nicht über schwere Waffen doch dürfe man nicht ausschließen, dass evt. gar die Opposition die Türkei beschossen hat, um damit ein Eingreifen der NATO zu erzwingen. Die Lage sei derzeit unüberschaubar, meint der ehemalige Kanzlerberater Horst Teltschik im Deutschlandradio. Nun kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Saudi Arabien und Katar haben die Lieferung von schweren Waffen an die Rebellen in Aussicht gestellt. Fehlt nurmehr das "Go!" des amerikanischen Verbündeten. Dort allerdings geht die Angst um, dass diese Waffen (Haubitzen, Kampfpanzer,...) in die Hände von Terroristen fallen könnten (Al Kaida oder islamistische Extremistengruppen). Undenkbar würde dies geschehen. Beide Ölstaaten haben deshalb bislang die Rebellen nur mit Geld und leichten Waffen unterstützt.
Die Türkei schießt unterdessen zurück. Gezielt auf Stellungen der syrischen Armee. Das jedoch führt für Assad zu einem Mehrfronten-Krieg. Im Inland die Rebellen, im Norden die Türkei und im Westen dringen immer wieder bewaffnete Gruppen vom Libanon aus ins Land ein. Wie reagiert ein Tier, das in die Enge getrieben wird? So auch Assad - er schlägt wild um sich. Die USA versuchen einstweilen, alle diplomatischen Hebel in Bewegung zu setzen, um eine grenzüberschreitende Eskalation im Nahen Osten ausschließen zu können.
Unterdessen finden handfeste Überlegungen für die Zeit nach Assad statt. So befürwortete der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu In einem TV-Interview am Wochenende eine Übergangsregierung unter Assads Vizepräsidenten Faruk al-Schara.
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Er habe sich nicht an den Massakern beteiligt, kenne das System in Syrien und würde auch von der Opposition akzeptiert. Al-Schara steht derzeit unter Hausarrest, nachdem im August erste Meldungen laut wurden, dass auch er Syrien verlassen habe. Zum Abschluss der "5+5-Konferenz" in Malta sprachen sich die Teilnehmer-Staaten (darunter die afrikanischen Mittelmeer-Anrainerstaaten Algerien, Libyen, Marokko, Mauretanien und Tunesien) für einen Regimewechsel in Damaskus aus.
Seit nunmehr 19 Monaten tobt in Syrien der Bürgerkrieg. Die blutige Bilanz: Über 31.000 Tote! Und täglich fließt weiter Blut. Sollte es tatsächlich zu einem türkisch-syrischen Krieg kommen, wären die Folgen verheerend. Das ohnedies schon durch die letzten Monate ausgezehrte syrische Volk wäre wohl der Leidtragende. Daneben sehen Beobachter auch eine Gefahr darin, dass die türkische Regierung die Situation nutzen könnte, um das seit Jahrzehnten bestehende "kurdische Problem" ein für alle Mal zu lösen. Ankara hat allerdings bereits abgewunken. Zudem ist auch die Rolle des Iran nicht abzuschätzen. Dort hatte das Mullah-Regime immer wieder betont, dass man ein Einschreiten der NATO nicht dulden werde. Doch liegt zwischen beiden Ländern noch der Irak. Mehr als angespannt hat die Lage zwischenzeitlich auch die Ankündigung der Rebellen, 45 iranische Geiseln töten zu wollen. Teheran spricht von harmlosen Pilgern, die den Rebellen Anfang August in die Hände gefallen sind. Sie würden als menschliche Schutzschilder missbraucht. Dies müsse eindeutig als Verstoß gegen die Menschenrechte gesehen werden. Für das Leben der Geiseln seien auch die Türkei, Saudi Arabien und Katar verantwortlich. Sehen extremistische Islamisten eine Chance, an die Macht zu kommen, könnte dies zu einem religiösen Bruderkrieg im Nahen Osten führen. Die Al-Nusra-Front, eine Gruppe militanter Islamisten, hat sich derweil zu einem Anschlag auf den Geheimdienst der syrischen Luftwaffe bekannt. Die Region gleicht einem Pulverfass. Ein Funke genügt und es explodiert!
(Ulrich Stock)
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