NSU-Untersuchungs- ausschuss |
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Online-ZeitungNSU-Untersuchungsausschuss: Es ist ein brauner Sumpf |
12.09.2012 |
Dabei wurde der V-Mann auch vor Maßnahmen wie Razzien oder Überwachungen gewarnt. Wurden Dienstvorschriften missachtet? Roewer hat den Schwarzen Peter weitergegeben - an die Polizei: "...dass ich mich bei der Durchführung dieses Willens von anderen zuständigen Behörden nicht immer optimal unterstützt gefühlt habe.“ Im Bericht der durch den Thüringer Innenminister Geibert (CDU) eingesetzten "Schäfer-Kommission" ist von einer "erbärmlichen" und "katastrophalen Arbeitsweise" der Behörden zu lesen - Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwaltschaft! Wäre der Verfassungsschutz den Hinweisen nachgegangen und hätte er diese nachrecherchiert übergeben, so wäre die Sache wohl anders ausgegangen. Doch sahen sich Verfassungschutz und Landeskriminalamt offenbar als Konkurrenz. Die Staatsanwaltschaft habe die Herrschaft über das Verfahren verloren und Zielfahndungsakten nicht zu Ermittlungakten aufgestuft. So auch die Bewertung des sächsischen Innenministeriums, vorgelegt im Juni des Jahres: „Insbesondere hat eine systematische und kontinuierliche Zusammenführung der vorhandenen Erkenntnisse bei den beteiligten Behörden nicht stattgefunden.“ Doch hier wird auch das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz miteinbezogen.
Roewer selbst ist eine mehr als schillernde Figur: Er soll barfuß durch's Amt gegangen sein, einen Posten durch eine Liebschaft besetzt haben sowie einen Referatsleiter bei vollem Gehalt beurlaubt haben (Hausverbot), der ihn angeblich bei einer Orgie im Amt ertappte. Er kann sich zudem nicht mehr erinnern, wer ihm die Ernennungsurkunde zum obersten Verfassungsschützer Thüringens übergeben habe. Des nächtens gegen 23.00 Uhr sei vor einem Gasthaus in Erfurt irgendjemand aus einem Dienstauto gestiegen - es war dunkel und er betrunken. Weder der damalige Innenminister noch sein Staatssekretär können sich an eine solche Anwerbung des Juristen aus dem Bundesinnenministeriums erinnern. Im Jahr 2000 wurde er wegen "fragwürdiger Amtsführung" durch Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) seines Amtes enthoben.
Aus den Reihen des Verfassungsschutzes Thüringens ist also nicht viel zu erfahren. Deshalb geht der Ausschuss nun weiter. Befragungen sollen auch mit den beiden ehemaligen Bundesinnenministern Wolfgang Schäuble (CDU) und Otto Schily (SPD) durchgeführt werden. Ergebnisse müssen eingefahren werden, da der Ausschuss bereits seit Januar seiner Arbeit nachgeht. Deshalb sind die Befragungen bereits für Oktober vorgesehen. Unterdessen wird Kritik laut. So bemängelt das Ausschussmitglied Petra Pau (Linkspartei), "die meisten Akten werden erst unmittelbar vor den Ausschusssitzungen geliefert" (Pau gegenüber der dpa)! Die Arbeit des Ausschusses würde dadurch stark behindert. Auch sollen immer mehr Unterlagen als "streng geheim" deklariert werden. Diese Akten dürfen durch die Ausschussmitglieder zwar gelesen, nicht jedoch darüber gesprochen werden.
Diese Woche nahm der Ausschuss seine Arbeit nach der Sommerpause wieder auf. Dabei ging es vorerst um den Mord von Kassel, bei welchem der Betreiber eines Internet-Cafés umgebracht wurde. In die Befragungen wurde zudem der hessische Verfassungsschutz eingebunden. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) kommt ins Fadenkreuz der Kritik: Offenbar sollte Uwe Mundlos angeworben werden. Nach auferlegtem Zeitplan muss der Ausschuss bis zur Sommerpause des kommenden Jahres seine Arbeit abgeschlossen haben. Somit können Befragungen nurmehr bis zirka April durchgeführt werden. Es eilt, denn noch fehlen zahlreiche Antworten, Querverbindungen und Hintergründe.
(Ulrich Stock)
Fortsetzung:
NSU-Untersuchungsausschuss:
Es ist ein brauner Sumpf
Verheimlichen die Agenten wichtiges Beweismaterial???
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