Die Szene könnte wohl symptomatischer nicht sein, für den 26. Weltjugendtag in Spanien. Kurz nachdem Papst Benedikt XVI. seine Predigt zur Gebetswache auf dem Flugfeld Cuatro Vientos bei Madrid begonnen hatte, setzte ein Sturm mit Regen ein. Eine Windböe blies die Pileolus (weiße Kopfbedeckung) vom Haupte des 84-jährigen Kirchenoberhauptes. Mit zerzaustem Haar musste der Pontifex sein Manuskript suchen und ordnen. Das Abendgebet wurde für 20 Minuten unterbrochen. Erst dann hatte sich Wettergott Petrus ein Herz gefasst. Seit Beginn des Weltjugendtages gab es täglich heftige Anti-Papst-Proteste auf den Straßen der spanischen Städte. Dazu aufgerufen hatten nicht etwa nur atheistische Gruppierungen, sondern auch kirchliche Basisgemeinden. Auf den Transparenten stand zu lesen: "Wir wollen Jobs, keine Kruzifixe". Spanien hat an der derzeitigen Euro-Krise schwer zu beißen. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt in bislang ungeahnte Höhen. Deshalb gingen schon Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Wirtschaftslage zu protestieren. Aus den friedlichen Demonstrationen der "Empörten" jedoch sind mit dem 11. August heftige Zusammenstöße zwischen Protestierern, Pilgern und der Polizei geworden. Hintergrund des Ganzen ist die zumindest Teilfinanzierung des Weltjugendtages und des Papstbesuches durch die spanische Regierung. Insgesamt sollen 50 Mio. € ausgegeben worden sein. Vonseiten der katholischen Kirche Spaniens heißt es, dass das meiste dieser Ausgaben aus den Eintrittspreisen, Sponsorengeldern und Spenden aufgebracht wurde. Doch bleibt immer noch ein großer Batzen übrig, den die öffentliche Hand für beispielsweise Sicherheitsmaßnahmen entrichten muss. Das Geld wäre wohl besser in Arbeitsplätze oder als Beitrag zur Bekämpfung des Hungers in Afrika geflossen, meinen die Demonstranten. Auch in der Kirche selbst hagelte es Kritik: Nicht weniger als 120 Pfarrer der spanischen Hauptstadt hatten sich vor Beginn dieses mehrtägigen Events gegen dessen Finanzierung durch Großkonzerne ausgesprochen. Schließlich seien ja diese durch ihre Spekulationwirtschaft für die derzeitige Arbeitslosenrate verantwortlich. Daneben können sie ihre Spenden von den Steuern absetzen. In Deutschland wird ebenfalls bereits diskutiert: Papst Benedikt XVI. wird vom 22. bis 25. September seiner Heimat einen Besuch abstatten. Öffentliche Auftritte sind in Berlin, Thüringen und Freiburg geplant. In Berlin wurden bereits Demonstrationen angekündigt. Auch hier ist die öffentliche Hand für Sicherheitsmaßnahmen zuständig. Beim Weltjugendtag 2005 in Köln wurden beispielsweise dafür nicht weniger als 7,5 Mio. € durch das Land und dem Bund aufgebracht. Nachdem sich das katholische Kirchenoberhaupt am Freitag mit der königlichen Familie im Zarzuela-Palast und wenig später mit dem sozialistischen Premier José Luis Rodriguez Zapatero an dessen Regierungssitz getroffen hatte, standen am Samstag mit dem Abendgebet und am Sonntag mit der Messe die beiden größten Veranstaltungen auf dem Programm. Bei rund 40 Grad harrten sehr viele der beinahe eine Million Besucher bereits am Samstag-Nachmittag auf dem Flugplatz Cuatro Vientos aus, damit sie einen guten Platz bekamen. An Wasser hatten jedoch wohl die wenigsten gedacht. Übelkeit und Kreislaufprobleme waren die Folge. 880 Personen mussten durch die Sanitäter und Notärzte versorgt werden. Kurz nach Beginn des Abendgebetes begann ein Unwetter. Windböen rissen die Gebetszelte aus den Verankerungen, ein Lichtmast knickte um, sieben Menschen wurden verletzt. Die Veranstaltung musste für 20 Minuten unterbrochen werden. Nach zwei Stunden zog sich dann der Papst zur Nachtruhe zurück. Dadurch verpasste er eine große Geste: Rund 100 Mitglieder der friedlichen Demonstranten "Die Empörten" trafen sich im Rahmen der Gebetswache mit jungen Katholiken zur Diskussion. Die Botschaft des "Summus Pontifex" in Spanien lautete: Eine radikale Antwort auf die Gottesfinsternis durch "Festere Wurzel in Christus" und weniger Markt in der Wissenschaft. Hierzu gehört wohl offensichtlich auch der Zölibat, also die Ehelosigkeit der katholischen Priester. Diesen bekräftigte Benedikt XVl. vor jungen Seminaristen. Sie müssten sich von allen "menschlichen Wünschen freimachen!". Für diese Wünsche hingegen demonstrierten im Umfeld Homosexuelle in einer Kuss-Demo. In Spanien sind gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften erlaubt. Diese Reform der spanischen Sozialisten im ehemals erzkatholischen Spanien hat im Vatikan für großen Aufruhr gesorgt. Der Weltjugendtag wird alle drei Jahre in einer großen Stadt dieser Erde veranstaltet. Es ist das Treffen der Jugend mit dem Papst und "gibt einfach Hoffnung!" (der österreichische Kardinal Schönborn). Die Deutsche Bischofskonferenz spricht gar von einem "begeisterndem Glaubensfest". Nicht nur Katholiken pilgern zu Hunderttausenden zu diesen Veranstaltungen, sondern "alle jungen Leute, die ein festliches Treffen mit Gleichaltrigen mit Christus im Zentrum haben möchten" (www.madrid11.com). Der jeweilige Höhepunkt ist der sonntägliche Abschlussgottesdienst. Auch heuer waren weit mehr als eine Million Menschen dabei. Aus Deutschland sind rund 16.500 Jugendliche und Erwachsene sowie 20 Bischöfe angereist. Die Reaktionen auf die Anti-Papst-Proteste könnten unterschiedlicher nicht sein. So zitiert etwa die Kathpress den Sprecher des Vatikans P. Federico Lombardi: "Wir sind für Meinungsfreiheit und glauben, dass jeder seine Meinung sagen können darf!" Einige Kirchenvertreter und Politiker jedoch bezeichnen die Demonstranten als "Schmarotzer" und "Vandalen". In Deutschland meldet sich der designierte Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki zu Wort: "Wir leben in einer offenen, freien Gesellschaft. Ich finde das vollkommen in Ordnung, dass die Papst-Gegner für ihre Überzeugungen eintreten und demonstrieren!" (Tagesspiegel). Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 24 KW 34 | 24.08.2011 |
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