Ausgerechnet aus dem Kloster Andechs, in welchem die Frühjahrsklausur der CSU stattfand, ballerte der Parteivorsitzende Horst Seehofer der Koalitionsregierung in Berlin einen Warnschuss vor den Bug: Sollte das Betreuungsgeld nicht kommen, stellt die CDU-Schwesterpartei aus Bayern die Koalitionsfrage! Starker Tobak, mag sich manch einer denken. Tatsächlich aber stärkt der bayrische Ministerpräsident damit Kanzlerin Angela Merkel den Rücken, die sich insofern äußerte, dass sie das Gesetz auch gegen den eventuellen Widerstand in der eigenen Partei durchsetzen werde. Doch die Frage des Betreuungsgeldes ist nur ein Streitpunkt zwischen den politischen Eheleuten: Es kriselt innerhalb der Koalition! FDP-Vorsitzender Philipp Rösler setzte gegen den Willen Merkels Joachim Gauck als neuen Bundespräsidenten durch. Seine Parteikollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will das Gesetz zur Vorrats-Datenspeicherung nicht so umsetzen, wie es CDU/CSU haben möchten. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will bei Bedarf wieder Grenzkontrollen einrichten. Dies jedoch passt den Liberalen partout nicht in den Kram. Wo bleibt der hehre Wille von Schengen??? Fragt sich nicht nur Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), sondern auch der EU-Abgeordnete der CSU, Manfred Weber. Für ihn ist die Reisefreiheit eindeutig ein europäisches Thema. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) versucht gerade im NRW-Wahlkampf mit der Erhöhung der Pendlerpauschale zu punkten (auch übrigens eine Forderung der FDP). Ganz zum Missfallen von Bundesfinanzminister Wölfgang Schäuble (CDU). Der will überhaupt nichts davon wissen. Schließlich müssten dann auch die Länder mehr bezahlen, versucht er die Landesfürsten auf seine Seite zu ziehen. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziére (CDU) laufen die Soldaten weg. Deshalb will er mit allen Mitteln das neue Jahressteuergesetz verhindern, da der Sold der freiwillig Wehrdienstleistenden dadurch besteuert werden würde. Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) fordert in diesem Thema Korrekturen. Und nun auch noch das Betreuungsgeld! Es ist das Kind der CSU. Hiernach sollen all jene Eltern von Einjährigen ab Mitte 2013 Betreuungsgeld erhalten, wenn sie ihr Kleinkind nicht in eine öffentlich geförderte Kindertagesstätte bringen. Ein Jahr später soll der Beitrag um 50 € erhöht werden und auch für zweijährige Kinder gelten. Die Opposition lehnt diese "Herdprämie" grundsätzlich ab, auch bei der FDP ist sie unten durch. |
Nun haben sich einige CDU-Abgeordnete ebenso dagegen ausgesprochen. Dies bringt Seehofer zum Kochen, schließlich stehe das Betreuungsgeld im Koalitionsvertrag: "Eine Regierung, die ihre eigenen Beschlüsse nicht umsetzt, braucht man nicht!" (CSU-Chef Seehofer gegenüber der "Wirtschaftswoche"). Schlussendlich sei in diesem Kindesalter Bindung wesentlich wichtiger als Bildung. Von der FDP setzt es hämische Zwischenrufe: Der Ofen für die Herdprämie sei längst aus; die CSU stehe in einer kalten Küche, so der liberale Fraktionschef Rainer Brüderle. Trotzdem bleibe seine Partei zu den Abmachungen des Koalitionsbündnisses, meinte dieser beim liberalen Bundesparteitag in Karlsruhe. Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betont, dass der Bayer wohl daran erinnert werden müsse, dass "demokratische Meinungsbildung innerhalb unserer Parteien normal" sei. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) plädiert für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe und kündigt weitere rechtliche Überprüfungen an. Die Opposition überlegt die Einschaltung der Verfassungsrichter. Schließlich werde es dadurch Müttern erschwert, wieder in den Beruf zurückzukehren. Nun kommt zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer auf: Nach bislang noch nicht bestätigten, allerneuesten Gerüchten jedoch könnte eine Einigung erzielt worden sein. So heißt es, soll das Betreuungsgeld mit Hartz IV verknüpft werden. Somit würde aus den neuen Zuschüssen ein zusätzliches Einkommen, wodurch die Hartz IV-Leistungen geschmälert würden. Damit soll einem "Herdprämien-Missbrauch" vorgebeugt werden. Seehofer spürt den Rückenwind, den ihm eine Emnid-Umfrage brachte. Die Partei sei auf Kurs, Herausforderer Ude von den Sozialdemokraten weit abgeschlagen. In Bayern wird am weiß-blauen Stolz gearbeitet. Der Freistaat wird wieder zum Freistaat, nachdem er lange Zeit nur ein Bundesland war. Das Konzept des Ministerpräsidenten scheint langsam aber doch aufzugehen: Die CSU ist Bayern! Doch eines ist Seehofer offenbar auch klar: Finden die Landtagswahlen in Bayern und die Bundestagswahlen im kommenden Jahr zeitgleich statt, so könnte dies Nachteile für die CSU mit sich bringen, da sich der Chef stark mit seiner Meinung gegen Berlin zurückhalten müsste. Dies zeigt sich aber unmittelbar bei den Wählerstimmen für die CSU, die 47-48 % und damit die absolute Mandats-Mehrheit im Landesparlament erreichen möchte. Was wäre alsdann, wenn der Bundestag früher gewählt werden müsste, da die Koalition zerbrochen ist? (Ulrich Stock) |
TAM-News |
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Online-ZeitungSeehofer schießt scharf |
25.04.2012 |
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