Kaum, dass die Diskussion und die Proteste rund um eine Umschuldung Griechenlands und damit einhergehenden drastischen Sparmaßnahmen abgeklungen sind, stürmt ein neues mediterranes Klagelied die vordersten Plätze der Banken. Eines der bekanntesten Chorwerke italienischer Opern ist der Gefangenenchor oder auch Freiheitschor aus dem dritten Akt der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi. 1841 komponiert, markiert Va, pensiero, sull'ali dorate (: Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht) nicht unbedingt den Beginn der italienischen Luftfahrt und auch keinen Starpunkt für wirtschaftliche Höchstleistungen. Nein, dieses geniale Chorwerk ist gleichzeitig musisches Synonym für politischen Aufbruch und nationale Unabhängigkeit, die ziemlich genau 20 Jahre später zur italienischen Realität wurde. Mittlerweile gilt Va pensiero den Separatisten der Lega Nord als inoffizielle Hymne und konterkariert insofern, was das Lied zu Zeiten Giuseppe Verdis eigentlich über alle Ebenen und Hügel Italiens transportierte: Vereinigung. Vereint im Dissens Das moderne Italien hingegen spaltet sich und die Meinungen der anderen über sich und seine Wirtschaftskraft. Viel traut man der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone nicht zu, wobei einige hier widersprechen werden: Selbstverständlich traut man Italien viel zu. Man traut dem Land viele Schulden und eine Menge an schlechtem Krisenmanagement zu. Und so sah sich Ministerpräsident Silvio Berlusconi gezwungen nochmals für die Stabilität seiner Regierung und seines Landes zu werben, während die Aktien vor allem an den italienischen Börsen in den Keller gingen, die Werte italienischer Banken massiv verloren und der Euro zu Dollar und Yen auf ein Viermonatstief abrutschte. Anleger haben demnach nicht nur das Vertrauen in Italien und die Gemeinschaftswährung verloren, sondern neuen Muts bezüglich der Pleite des Stiefels gesammelt. So verdienen nicht nur Schuster und andere Flicker bestens an der Angst vor dem nächsten Griechenland. Die Risikoaufschläge für italienische Anleihen steigen und Italien musste bei der jüngsten Auktion von Schuldtiteln mit einjähriger Laufzeit Rekordzinsen in Höhe von 3,67 % zahlen, was im Vergleich zu den Zinsen für im Vormonat begebene Anleihen ein Plus von knapp 1,5 % ist. Dies spricht für den Glauben an eine baldige Pleite der Appeninhalbinsel und löst einen Aufschrei der Verzweiflung aus. Ohne Zweifel könnte sich kein EU-Rettungsschirm leisten, eine Volkswirtschaft mit mehr als 1,8 Billionen Euro Schulden (entspricht 119% der gesamten Wirtschaftsleistung) aufzufangen. Auch deutsche Banken ist nicht nach Dolce Vita zumute Mit knapp 116 Milliarden Euro haben auch deutsche Banken einen nicht zu verachtenden Anteil an Forderungen an Italien. Ginge das Land zwischen Alpen, Adria und Afrika unter (den Hammer), müssten die Kreditinstitute ihrerseits Abschreibungen in Milliardenhöhe tätigen und im schlimmsten Fall selbst Zuflucht unter einem staatlichen Rettungsschirm suchen. Währenddessen versuchen die Euro-Währungshüter Vertrauen aus- und aufzubauen in die Stabilität der Einheitswährung. Die jüngste Erhöhung des Leitzinses auf 1,50 % spricht für Stärke trotz Krise und soll auch Italien bei weiteren Auktionen unterstützen. Denn je höher die Zinsen sind, die der Staat für das Aufnehmen an Kapital an den Finanzmärkten seinen Gläubigern in kurzer Zeit zurückzahlen muss, desto eher verstärkt sich die Ansicht, dass es sich hierbei nur um einen Aufschub und keinesfalls um ein Aufheben der Pleite handle. Schließlich werden Anleihen irgendwann fällig und wenn bis dahin der angekündigte Spar- und Reformkurs der italienischen Regierung nicht gegriffen haben sollte, heißt es dann wohl: Arrividerci, Roma! Wir sehen uns im Schatten des Schirmes! Marcello Buzzanca |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 21 KW 28 | 13.07.2011 |
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