Das britische Aussenministerium hat damit begonnen, jetzt folgen immer mehr: London hat alle britischen Staatsbürger aufgerufen, Syrien zu verlassen! Mit unglaublicher Härte versucht Präsident Baschar al-Assad an der Macht zu bleiben. Im ganzen Land peitschen Schüsse durch die Luft, fliegen Hubschrauber- und Flugzeugpiloten Kampfeinsätze gegen ihre Landsleute, werden Menschen getötet. Die syrische Armee rückt immer wieder im Land vor, sodass auch die Flüchtlingsrouten der ängstlichen Bevölkerung in die Türkei unterbrochen werden. Tausende campieren bereits in vier Zeltstädten unmittelbar nach der Grenze. Nur wenige Kilometer entfernt, auf syrischem Boden lieferten sich in der Stadt Dschisr al-Schogur Aktivisten mit den Regierungstruppen erbitterte Gefechte. Doch im Vergleich zur Situation in Libyen haben diese Menschen so gut wie keine Waffen und sind deshalb den Soldaten Assads beinahe hilflos ausgeliefert. Dieser versucht nach wie vor mit fadenscheinigen Erklärungen das Volk zurückzugewinnen. So sei eine Hand voll von Saboteuren für die Lage in Syrien verantwortlich, die inzwischen auch die friedlichen Demonstrationen infiltriert und damit grossen Schaden angerichtet haben. In einer seiner vielen Reden meinte er, dass es keine "Reform durch Sabotage und Chaos" geben wird. Die Soldaten und Sicherheitskräfte schiessen unverändert auf Protestanten - nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind bereits über 1.400 Menschen seit dem Beginn der Unruhen am 18. März um's Leben gekommen, mehr als 10.000 Personen wurden festgenommen, Tausende sind auf der Flucht. Immer lauter wird der Ruf nach einem Rücktritt des Präsidenten. Assad wird nicht müde zu betonen, dass die Demonstranten im Namen der Religion töten. So hätten Aufständische ein Massaker unter den Sicherheitskräften der Stadt Dschisr al-Shogur angerichtet, ein weiteres in Maarat al-Noaman sei nur durch das beherzte Eingreifen der regierungstreuen Truppen verhindert worden. Die westliche Welt schaut in voller Besorgnis auf Syrien. So fordern Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Portugal eine UN-Resolution im Weltsicherheitsrat, doch Russland und China haben sich dagegengestellt. Eine solche Erklärung könnte zu verstärkten Sanktionen oder ebenfalls wie in Libyen zu einem militärischen Einschreiten führen. Assad indes warnt das Ausland davor, sich in diese Krise einzumischen. "Wir sollten syrische Probleme eigenständig lösen!" Es werde derzeit ein Rahmen für den nationalen Dialog geschaffen. Die Europäische Union hat freilich bereits reagiert: Für Assad und seine Vertrauten, sowie einigen anderen Regierungsmitgliedern und inzwischen auch syrische Firmen gibt es Einreiseverbote und Vermögenssperren. Baschar al-Assad wirkt im Fernsehen unschuldig, aufgeschlossen und jungenhaft! Beinahe schon so, als könne er kein Wässerchen trüben, keiner Fliege etwas zuleide tun! Doch kommt dies alles einer perfekten Selbstinszenierung gleich. Er verspricht Reformen, lässt aber gleichzeitig Regimekritiker festnehmen. Er möchte den Dialog zur syrischen Nation suchen, sein Bruder Maher aber erteilt nach wie vor Schiessbefehle auf die Demonstranten. Er verspricht den Kampf gegen die Korruption, sein Cousin Rami Machluf, der bei den Syrern als menschgewordenes Beispiel für Raffgier und Korruption gilt, will mit Spenden Oppositionelle erkaufen. Verfassungsreferendum, Parlamentswahlen! Wieso verspricht Assad dies alles! Es ist wohl der Griff eines Ertrinkenden zum Strohhalm. Hätte es das vorher schon gegeben, bestünde heute wohl kein Anlass für Demonstrationen. Die Macht Assads bröckelt dahin. Ähnlich wie auch Gaddafi betont Assad, dass das Morden weitergehe, solange es die Demonstrationen gibt. Mit den Reformen wird erst dann begonnen, wenn wieder Ruhe eingekehrt ist. Militärisch wird sich der Westen dieses Mal sehr wohl zurückhalten. Einerseits im Sicherheitsrat am Veto Russlands und Chinas gescheitert, ist andererseits die Lage in der Region um einiges verzwickter als in Nordafrika. Der Iran hält seine schützende Hand über den Nachbarn; auf der anderen Seite zeigt auch Israel einen nervösen Finger am Abzug, wenn es um die Golanhöhen geht. Tja und zuguterletzt sind die Kosten des Libyen-Einsatzes ganz eindeutig noch nicht verdaut. Damit bleiben als einzige Möglichkeit die Wirtschaftssanktionen, die auch von Deutschlands Aussenminister Guido Westerwelle favorisiert werden. Sie treffen das Land recht hart, kämen sie doch einem Krieg gleich, meint Westerwelles Amtskollege Walid Muallem in einer Pressekonferenz in Damaskus. Das Leben in Syrien wird teurer werden, das Volk sich irgendwann seines Machthabers entledigen. Doch bis dorthin wird noch sehr viel syrische Heimaterde mit Blut getränkt werden! Ulrich Stock
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TAM-Wochenblatt Ausgabe 20 KW 26 | 29.06.2011 |
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