Was die FDP unter Guido Westerwelle nicht imstande war durchzusetzen, hat nun offenbar der neue liberale Vorsitzende Philipp Rösler geschafft! Doch war es ein hartes Stück Arbeit, denn ähnlich der sozialdemokratischen Opposition wollte auch Kanzlerin Angela Merkel im Vieraugen-Gespräch mit ihrem Koalitionspartner zunächst nicht wirklich etwas hiervon wissen. Wer sich nun bereits zum Jahreswechsel Änderungen erwartet haben sollte, der liegt falsch. Schliesslich kosten uns Griechenland, Irland und Portugal einen Haufen Geld. Von der Energiewende ganz zu schweigen. Derzeit gibt es keinen Spielraum für Steuergeschenke! Regierungssprecher Steffen Seibert musste alsdann die schlechte Nachricht überbringen: Steuererleichterung für kleine und mittlere Einkommen - ja; doch wann es in dieser Legislaturperiode geschehen wird - dies liess er offen. Der Grund: Das gibt die Haushaltsentwicklung vor! Soll heissen: Läuft das wirtschaftliche Schwungrad wieder so wie es sollte, fliessen mehr Gelder. So auch in die Staatskassen, wodurch Finanzminister Wolfgang Schäuble bei dem einen oder anderen Thema durchaus bereit ist, Abstriche vorzunehmen. Zuvor hat nach wie vor die Konsolidierung der Haushalte Vorrang. 2009 hatte sich Guido Westerwelle als Galionsfigur für die steuerliche Entlastung in Deutschland auserkoren. Dies bescherte seiner Partei, der FDP an den Wahlurnen ein bislang noch nicht dagewesenes Ergebnis. Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU wurde dieses Wahlversprechen der Gelben auch festgehalten - allerdings unter einem Finanzierungsvorbehalt. Von Schall und heisser Luft spricht deshalb Otto Normalverbraucher, denn entlastet wurde bislang gar nichts! Im Gegenteil: Mit der Erhöhung der Mineralöl- und der Tabaksteuer wurde das Leben in Deutschland erneut teurer. Seither sprechen viele Bundesbürger von den "Lügengeschichten aus Berlin". Doch Rösler stand dieses Mal nicht wirklich alleine vor der Klagemauer des Bundeskanzleramtes. Zuvor hatte sein Kollege von der Union, Volker Kauder, angeklopft und einen entsprechenden Wunschzettel hinterlassen. Denn: Florieren die Staatseinnahmen, ist der Haushalt konsolidiert, dann sollten auch die Deutschen etwas davon zurückerhalten. Nicht nur die Länder der Eurokrise! Vornehm zurückhaltend geben sich die Zahlenjongleure rund um Bundesfinanzminister Schäuble. Vorrangiges Ziel sind die Eckdaten des Bundeshaushaltes 2012 sowie die mittelfristige Finanzplanung. Beides muss noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Erst wenn dies in Hut und Mantel gekleidet ist, kann das Ziel "Steuersenkung" ab dem Herbst vorsichtig angegangen werden. Bei der FDP keimte bis zuletzt die Hoffnung, dies noch vor dem Bundestagsurlaub hieb- und stichfest machen zu können. Schliesslich stehen im Herbst schon wieder die nächsten Landtagswahlen an. Zumindest einen Grundsatzbeschluss wird es geben, sodass die liberalen Wahlkämpfer hiermit durchstarten können. Die Entlastungen sollen mögichst all jene treffen, die über ein Brutto-Jahreseinkommen von zumindest 13.500,- Euro verfügen. Dieser Mittelstand hat derzeit mehr Steuerabzüge als die darunter liegenden Verdiener. Der Experte spricht hierbei vom "progressiv verlaufenden Mittelstandsbauch". Erhält beispielsweise ein Angestellter eine Lohnerhöhung, die gerade mal die Inflation abdeckt, so könnte er dadurch in eine höhere Steuerklasse rutschen. Unter dem Strich bleibt ihm somit rein rechnerisch weniger übrig als zuvor. Um diese Kurve abzuflachen, müsste der Staat auf Steuereinnahmen in der Höhe von rund 23 Milliarden Euro verzichten. Dem kleinen Steuerzahler brächte dies zwichen 200 bis 1.200 Euro mehr auf seinem Lohnzettel. Soweit die Überlegungen der FDP, die allerdings nicht finanzierbar sind. Wesentlich kleinere Brötchen bäckt da die CSU. Die eine oder andere kosmetische Regulierung brächte dem Einzelverdiener mit 15.000,- Euro Jahres-Brutto-Einkommen eine Ersparnis von 50,- Euro im Jahr. Ehrlich gesagt: Wird dieser Betrag nicht schon durch die Erhöhung der Mineralölsteuer mehr als verschlungen? Doch das grosse, kreisende Damoklesschwert ist nach wie vor die Konsolidierung der Haushalte - die Schuldenbremse! Dabei sollen "Strukturelle Ausgaben" (wie Steuersenkungen) nicht durch "konjunkturelle Mehreinnahmen" finanziert werden dürfen, da ansonsten keine Schulden abgebaut werden können. Sollen also Steuern gesenkt werden, so muss dies an anderer Stelle eingespart werden. Und dafür ist derzeit wahrhaft der falsche Zeitpunkt. Neben dem bereits angesprochenen Euro-Rettungspaket und der Energiewende schlagen sich die Bundeswehrreform und der Wegfall der Finanzmarkttransaktions- sowie der Brennelementesteuer schwer zu Buche. Somit werden sich nicht nur die Sozialdemokraten und die Grünen gegen eine Steuersenkung aussprechen, sondern auch die Länder, die auf jeden Euro angewiesen sind, da sie laut Grundgesetz bis 2020 keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) bringt es gegenüber der Financial Times auf den Punkt: "Wir können uns das nicht leisten!" Damit scheitert ein solches Vorhaben wenn nicht schon im Bundestag, so spätestens im rot-grün dominierten Bundesrat! Und so ganz nebenbei erwähnt, sprach sogar der Deutsche Gewerkschaftsbund angesichts dieser Steuersenkungspläne von einer "politischen Verantwortungslosigkeit". Diskutiert wird deshalb auch die Abschaffung des Solidaritäts-Zuschlages. Doch trifft dies die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Kanzlerin voll ins Herz und ausserdem würden nur die Besserverdienenden von dieser Massnahme profitieren, da der Soli-Beitrag zwar 12 Milliarden als Steuersenkung ausmachen würde, jedoch nur ein Prozentsatz des Bruttoeinkommens darstellt. Auch geringere Sozialbeiträge etwa im Bereich der Rentenversicherung stehen zur Debatte. Im Jahr 2013 wird wieder zur Wahlurne geschritten - Bundestagswahlen stehen an. Deshalb ist wohl nicht zu erwarten, dass etwaige Steuersenkungen vor diesem Jahr stattfinden werden um den Wählern diesen Bonbon auch wirklich gut verkaufen zu können. Spätestens dann sollten auch die Sozialdemokraten keine Einwände mehr gegen eine steuerliche Entlastung haben, da sie ansonsten ihre Basis verlieren. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 20 KW 26 | 13.07.2011 |
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