Nur wenige hundert Meter von der Insel Giglio entfernt, an der toskanischen Küste, lief in der Nacht auf Samstag das Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" auf ein Riff auf und kippte. Bislang wurden sechs Menschen tot geborgen. Noch immer werden Passagiere und Crewmitglieder vermisst, 68 wurden verletzt oder standen zumindest unter medizinischer Beobachtung. Auch wenn die bisherige Bilanz sehr traurig ist: Bei 4.230 Personen an Bord hätte es noch weitaus schlimmer kommen können. Unter den Passagieren befanden sich auch 566 Urlauber aus Deutschland. Vier werden nach Angaben des Auswärtigen Amtes vermisst - zwei Frauen aus dem Allgäu und ein Ehepaar aus Hessen! Rund zweieinhalb Stunden nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Civitavecchia rammte der Luxusliner die Felsgruppe "Le Scole". Passagiere schildern dies mit einem plötzlichen Ruck mit anschließendem Stromausfall und einem zweiten, weitaus stärkeren Stoß. Die Mannschaft versuchte das Schiff noch in flachere Gewässer zu steuern und durch das Werfen des Ankers zu drehen. Dabei allerdings strömte Wasser durch das Leck, das Schiff neigte sich rasch. Der Kapitän, Francesco Schettino, befand sich zum Zeitpunkt der Havarie in der Kommandozentrale. Er befahl die Evakuierung der Costa Concordia. Nach Angaben sehr vieler Passagiere hingegen zu spät. Nur wenige Stunden nach dem Aufprall befand sich das Schiff in 80 Grad Seitenlage, wodurch derzeit große Teile der Concordia unter Wasser liegen. An Bord soll Panik ausgebrochen sein. Viele Personen sprangen einfach ins kalte Mittelmeer um die Insel schwimmend zu erreichen. Rettungsmannschaften hatten rund 150 Personen aus dem Wasser geborgen. Deshalb gestaltet sich auch die Suche nach den Vermissten so schwer. Manche werden unter Wasser in einer der Kabinen eingeschlossen sein, andere hingegen werden auf offener See vermisst. Am Sonntag konnte ein südkoreanisches Paar lebend geborgen werden. Die beiden befanden sich auf Hochzeitsreise und waren in einer Kabine eingeklemmt. Auch ein italienisches Crewmitglied wurde nach 36 Stunden zwar mit Beinbruch, so doch lebend aus dem Wrack gezogen. Die Geretteten fanden vorübergehende Aufnahme in Hotels, Schulen aber auch in den Häusern der rund 1.400 Inselbewohnern. Inzwischen sind alle geborgenen Passagiere wieder zuhause angekommen. Nach Angaben des Eigners des Schiffs, der Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere aus Genua, hat der Felsen ein ca. 70 m langes Loch in den 290 Meter-Ozeanriesen gerissen. Die sehr rasche Seitenlage soll die Evakuierung enorm erschwert haben. Betroffene berichten, dass das Personal an Bord mit der Koordinierung der Notmaßnahmen überfordert gewesen sei. Viele Passagiere wurden wieder in die Kabinen zurückgeschickt - es solle sich nur um einen technischen Defekt handeln! Rettungsboote konnten teilweise nicht zu Wasser gelassen werden. Die Vorwürfe werden von der Costa-Reederei zurückgewiesen - die Rettungsaktion soll wie eintrainiert verlaufen sein. Seit dem 08. Januar hatte außerdem keine einzige Sicherheitsübung stattgefunden. Die Havarie selbst wurde erst 15 Minuten nach dem Aufprall an den Hafen gemeldet. Aufgrund dieser Unstimmigkeiten wurde nun durch das Hafenamt von Livorno eine Überprüfung angeordnet. Der Kapitän des Havariedampfers sitzt in Untersuchungshaft - ihm wird fahrlässige Tötung in zumindest sechs Fällen sowie die Herbeiführung eines Schiffbruchs angelastet. Außerdem soll er sein Schiff verlassen haben, obwohl noch Menschen an Bord waren. Weshalb der 52-jährige den Luxusliner in nur rund einer Seemeile Entfernung von der Insel vorbeiführte (hier wären fünf vorgeschrieben), ist derzeit noch unklar. Sorgen bereitet den Verantwortlichen außerdem der Treibstoff. Sollten die rund 2.400 Tonnen auslaufen, droht der toskanischen Küste eine bislang noch nicht dagewesene Umweltkatastrophe. Das Schiff befindet sich derzeit an einer etwa 30 Meter tiefen Stelle. Es könnte aber abrutschen und komplett sinken. Die Costa Concordia hat ein zwar kurzes jedoch bereits sehr bewegtes Leben hinter sich. Das 450 Mio. € teure Flaggschiff der Reederei wurde 2006 vom Stapel gelassen. 114.500 Bruttoregistertonnen, 8,2 m Tiefgang, 23 Knoten Höchstgeschwindigkeit, 17 Decks, fünf Restaurants. Luxus pur für 3.780 Passagieren in 1.500 Kabinen; die Crew besteht aus 1.100 Personen. Die Stromkapazität an Bord reicht für den Verbrauch einer Stadt mit 50.000 Einwohnern. Bereits 2008 rammte der Liner während eines schweren Sturms die Hafenbefestigung von Palermo und wurde dabei beschädigt. Seine höchstwahrscheinlich letzte Reise sollte über Savona, Palermo, Cagliari, Palma de Mallorca nach Barcelona und schließlich Marseille führen. |
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Online-ZeitungFahrt ins Unglück |
16.01.2012 |
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