Der Bestseller "Deutschland schafft sich ab" hat mit einem Schlag das geschafft, was rechts der Mitte stehende Politiker in ihrer gesamten Schaffensperiode nicht gelungen ist: Deutschland ist in zwei Lager gespalten! Die Migranten und Hartz IV-Empfänger fordern seinen Kopf! Autor Thilo Sarrazin ist über Nacht auch ausserhalb Berlins bekannt geworden. Einerseits als die Stimme des Volkes, andererseits als Hasser der sozialen Unterschicht und der Zuwanderer. Seine skurilen Thesen zur Vererbung der Intelligenz oder zur Integrations- und Leistungsunwilligkeit von Einwanderern haben das Kartenkunstwerk, das seit Jahren aufgebaut wurde, zum Einstürzen gebracht. Ihn selbst haben sie allerdings ebenfalls den Kopf gekostet. Der Bundespräsident höchstpersönlich sorgte dafür, dass dieser Mann aus den heiligen Gängen und Hallen der Bundesbank verschwand. Wenn auch in beiderseitigem Einvernehmen mit einer um 1.000,- € höheren Pension im Monat. In der SPD gab es einen unüberhörbaren Aufschrei, schliesslich handelt es sich hierbei um einen der Ihren, der gegen die Grundgedanken der Sozialdemokratie wettert. Eiligst wurde ein Parteiausschlussverfahren ins Leben gerufen. Rüde Worte kamen auch aus dem Munde des zu tiefst getroffenen Parteichefs Sigmar Gabriel, er sprach von einem Wegbereiter der "Hassprediger im eigenen Volk". Niemand mit rotem Parteibuch hätte auch nur einen Cent auf ein Verbleiben Sarrazins in der SPD gesetzt. Und doch geschehen offenbar noch Zeichen und Wunder. Der Spruch der Schiedskommission des SPD-Kreisverbandes Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf lautet nach fünfstündiger Beratung: Der in Ungnade gefallene Sohn darf bleiben! Heftige Diskussionen - ja sogar Streitereien gab es im Vorfeld - aber auch im Anschluss an den Schiedsspruch. Kam doch der Eindruck auf, dass die Parteispitze vor dem ehemaligen Banker zu Kreuze gekrochen ist; andererseits sprechen die Jusos von einem "fatalen Signal": "Man kann als Rassist oder Rassistin Mitglied der SPD bleiben!" (Philipp Dees, Landesvorsitzender der bayerischen Jusos). Der umstrittene ehemalige Finanzsenator Berlins jedoch kam nicht ganz ungeschoren davon. So musste er versichern, dass er niemals die Absicht gehabt hatte, die Grundsätze der Sozialdemokratie zu verletzen oder Migranten durch seine Aussagen zu diskriminieren. Er wolle sich künftig an die sozialdemokratischen Grundsätze halten, versicherte Sarrazin. Kritiker zweifeln an diesen Zusagen, denn in seinem Buch habe Sarrazin genau das Gegenteil kundgetan. Die Parteispitze steht zu dem Urteil der Kommission. Auch wenn Präsidiumsmitglied Ralf Stegner von "intolerantem Stuss" spricht, mit dem Sarrazin neuerdings sein Geld verdiene, und der saarländische Fraktionschef Ulrich Commercon gar von einem "Vollarsch" (für diese Wortwahl in einem Twitter-Thread entschuldigte er sich später). Der mögliche Koalitionspartner in Berlin, die Grünen, reagieren entsetzt. So meinte deren Bundessprecherin Claudia Roth gegenüber des Tagesspiegels, dass Sarrazins Gedankengut "offenkundig einen festen Platz in der Berliner SPD" bekomme. Im Rahmen von Lesungen und Auftritten des umstrittenen Autors kam es in London zu einem Gemenge mit Studenten, auch in Düsseldorf musste die Polizei für Ordnung im und vor dem Saal sorgen. Ist auch kein Wunder, bringt doch der Autor eine ständig steigende Verdummung des Volkes in Korrelation mit der Zuwanderung von Ausländern. Andererseits spricht er den türkischen und arabischen Einwanderern "keine produktive Funktion ausser für den Obst- bzw. Gemüsehandel" und "ständig neuer kleiner Kopftuchmädchen" zu. Das ist harter Tobak!!! In Richtung der Hartz IV-Empfänger meinte Sarrazin, wer "genug Kraft für ein Ehrenamt findet, der sollte dann die Kraft darin legen, Arbeit zu finden!" Er würde für fünf Euro jederzeit arbeiten gehen. Das wären 40 Euro pro Tag (hierfür hat er sich dann allerdings mit 1.000,- € zusätzlich im Monat fürstlich entlohnen lassen. Dies sind um rund 50,- € mehr pro Werktag!). Es ist ein wahrhaft heikles Thema, an dem sich derzeit sehr viele Menschen die Finger verbrennen. So betonte etwa auch der CSU-Chef und Ministerpräsident von Bayern, Horst Seehofer, dass man den Fachkräftemangel "nicht durch Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen" beheben könne. Auch hier gab es daraufhin heftige Schelte. Stellt sich somit abschliessend durchaus die Frage: Hat Sarrazin nur das ausgesprochen, was sich sehr viele seit langer Zeit denken? Allerdings doch etwas zu scharf formuliert! Ulrich Stock
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TAM-Wochenblatt Ausgabe 15 KW 17 | 27.04.2011 |
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