Das Kleingedruckte ist mitunter ebenso schwer zu lesen, wie manche engmaschigen Verbindungen von Lieferketten in der Weltwirtschaft zu durchschauen sind. So ist die Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan natürlich und in erster Linie eine große Tragödie, die unzählige Hilfsangebote auf den Plan gerufen und damit die internationale Solidarität der Nationen beindruckend bewiesen hat. Dies ist die eine der zahlreichen Facetten hinsichtlich der Auswirkungen des Bebens. Ein anderer Aspekt jedoch sind die Auswirkungen, die das Beben auf die japanische Industrieproduktion hatte und noch immer hat. Durch den Ausfall bestimmter Anlagen und Fabriken sitzen nun auch die von diesen Teilen abhängigen Empfänger der Waren buchstäblich auf dem Trockenen, da sich aufgrund dieser Lieferunterbrechungen nicht alle Fließbänder so bewegen können, wie es die Unternehmen gerne hätten. Auch Deutschland ist betroffen Jüngst teilte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, auf der Hannover Messe mit, dass auch deutsche Unternehmen von den Lieferunterbrechungen betroffen seien. Dabei stehen neben den Automobilherstellern, die auf ihre Zulieferer in Japan angewiesen sind, vor allem die Produzenten und Händler von IT- und Kommunikationstechnik bzw. Unterhaltungselektronik betroffen. Sie klagen laut BITKOM (Branchenverband der IT- und Kommunikationsbranche) über einen Mangel an Geräten und Komponenten aus Japan. Die Folge: bereits jetzt steigen die Preise für bestimmte Produkte, da die Produktion aufgrund der Lieferausfälle die Nachfrage nicht mehr bedienen kann. Selbst, wenn einige Branchen nicht direkt betroffen seien, so Experten, könnten die Lieferprobleme über Umwege auf die deutsche Wirtschaft Auswirkungen haben. Wenn beispielsweise ausländische Handelspartner deutscher Unternehmen ihrerseits keine Lieferungen aus Japan erhielten, wäre auch ein Engpass für deren Lieferungen nach Deutschland denkbar. Trotz dieser Szenarien rechnet der BDI mit einem Konjunktur-Plus über 2,5 %, wie auch der unter Druck geratene Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle von mehr als 2,3 % Wachstum spricht. Atommoratorium mit Folgen Auch dem Atomstrom fehlt es in Deutschland zum Teil an Nachschub. Durch das vereinbarte Atomkraft-Moratorium und das Abschalten von nunmehr neun Kernkraftwerken ist Deutschland nun als ehemaliger Stromexporteur und aufgrund der Negativbilanz von im- und exportierten Strom (es wird momentan weniger Strom aus- und mehr Strom eingeführt) jetzt Stromimporteur. Wie und in welcher Höhe sich dies letztlich auf die Strompreise für Endabnehmer auswirken wird, bleibt indes abzuwarten. In jedem Fall scheint sicher, dass Stromhändler an den europäischen Strombörsen – und damit auch an der European Energy Exchange in Leipzig – ihre Kalkulationen verändert haben, auch durch das Moratorium bedingt. Strom kostet Endverbraucher immer dasselbe, egal, woher er kommt. Tut sich in Deutschland jedoch eine Art Engpass für billigen Atomstrom auf, setzen die Händler eher auf entsprechend günstigen Atomstrom aus dem Ausland als den für sie und in der Erzeugung teureren Kohlestrom. Dadurch bleibt ihre Gewinnmarge groß- und so verbleibt auch der Atomstrom in Deutschland, nur eben als Import. Marcello Buzzanca |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 12 KW 14 | 06.04.2011 |
|