Der Aschermittwoch gilt schon seit Jahren als eine sehr gute Möglichkeit, die politischen Gegner durch markige Sprüche in Grund und Boden zu reden! So mancher spitzzüngige Kritiker meint, dass die Berufspolitiker aus der närrischen Zeit einiges mit rüber gebracht und in diesen Aschermittwochs-Reden verarbeitet haben. Auch heuer wieder riefen alle im Bundestag vertretenen Parteien zur Stammtisch-Debatte auf! Die CDU in Angela Merkels Wahlkreis Demmin in Mecklenburg-Vorpommern, die SPD in Vilshofen, die FDP in Straubing, die Linken in Tiefenbach bei Passau und die Grünen in Landshut (alle in Bayern). Doch das wohl grösste und interessanteste Treffen fand in der Dreiländerhalle in Passau statt - beim CSU-Aschermittwoch! Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer hatte hierbei auch alle Hände voll zu tun, gilt es doch, die Partei vom KT-Schock in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Die Basis forderte auf Plakaten die Rückkehr Karl Theodor zu Guttenbergs, andere stellten die Frage: Was geschieht mit Seehofer, wenn der ehemalige Verteidigungs- und Wirtschaftsminister doch wieder in die Parteipolitik zurückkehren sollte?! Der Ministerpräsident allerdings lässt sich nicht verwirren. Zu Beginn widmet er sich der Integrationsfrage, die von CSU-Minister Friedrich aufgeworfen wurde. Das Integrationsziel müsse in die Verfassung aufgenommen werden! Erst in der 2. Hälfte seiner Ansprache betont er: "Ich werde alles dafür tun, dass Karl-Theodor wieder in die bayerische, in die deutsche Politik zurückkehrt!" Dieser Satz wurde mit frenetischem Jubel und einem Schluck aus der Bier-Maß quittiert! Und dann schob Seehofer noch einen dieser kantigen Stammtisch-Sprüche nach: "Wir lassen uns aus der Partei der Steinewerfer, aus der Partei der Stasi-Kommunisten nicht Anstand und Moral vorhalten!" Nun hatte der Meister wieder alle Untertanen auf seiner Seite! Und dann war die Zeit da, seinen Führungsanspruch im Freistaat und der Partei durch lautes Singen und Gegröhle bestätigen zu lassen. Auch wenn zu Guttenberg diesen CSU-Aschermittwoch ausgelassen hatte, so gingen die Christsozialen nicht nur durch Fischbrötchen und Bier körperlich, sondern vor allem mental gestärkt aus diesem Partei-Stammtisch. Und für Seehofer war es so etwas wie sein zweiter Geburtstag, galt er doch beinahe schon als abgeschrieben (im Sinne von perspektivenlos!) - neben KT zu Guttenberg. Bei der Schwester-Partei CDU ritt Kanzlerin Merkel einen Angriff gegen die Opposition. Man müsse sich nicht von Gysi, Trittin und Gabriel belehren lasen, wenn es um Anstand und Ehrlichkeit in der Politik gehe. Dann ging es um die Sachpolitik: Hartz IV dürfe kein Lebenszustand sein; Arbeitslose hätten die Pflicht, Arbeitsangebote anzunehmen. Der Fraktionschef der SPD, Frank Walter Steinmeier spricht in Vilshofen von einem Betrug an den bürgerlichen Tugenden. Damit wolle die SPD nichts zu tun haben. Die Partei sei genau dort, wo sie hingehöre - deutlich vor den Grünen und ernsthaft zu nehmen bei der Konkurrenz um Regierungsmehrheiten! Hamburg sei erst ein Anfang gewesen - die Regierung bezeichnete er als "die schwarz-gelbe Chaostruppe", die untereinander wie die Kesselflicker streiten. Damit ist also auch hier durchaus der bäuerliche Funke des 16. Jahrhunderts übergesprungen. Natürlich stand zu Guttenberg auch bei den Grünen und Linken im Mittelpunkt der Ansprachen. Während die Linken nur lapidar vom Doktordiebstahl sprachen, sich aber dann wieder auf ein Stopp von Rüstungsexporten und dem Rückzug aus Afghanistan konzentrierten, meinte die bayerische Landesvorsitzende der Grünen, Theresa Schopper, dass aus dem Sonnenkönig ein gefeihter Promovent geworden sei - vom gefeierten Star zum Fall für den Staatsanwalt. Dann bestimmten auch Hartz IV und die Verlängerung der Restlaufzeiten der Atomkraftwerke die Reden! Bei der FDP machte Vorsitzender Guido Westerwelle Politik für den kleinen Mann. Die bisherigen Steuersenkungen seien nicht "das letzte Ziel" - es müsse weitergehen. Dann kam er auf die Kritik der SPD und der Grünen zurück, wonach die Liberalen "Klientelpolitik" betreiben: "Mittelstandspolitik... ist die beste Arbeitnehmerpolitik, die es gibt!" Die Zeichen stehen also in allen Parteien auf Sturm - kein Wunder: Es ist Wahlkampf! Sachsen-Anhalt wählt am 20. März einen neuen Landtag, danach folgt Baden Württemberg eine Woche später. An diesem Aschermittwoch galt es, die eigenen Massen zu mobilisieren. Ihnen ein Ziel vor Augen zu halten und sie förmlich zur Wahlurne zu stubsen!!! Der politische Aschermittwoch geht übrigens auf den Hornvieh- und Rossmarkt des bayrischen Vilshofen im 16. Jahrhundert zurück, als die Bauern miteinander feilschten und über Gott und die Welt diskutierten. 1919 rief der Bauernbund erstmals offiziell zur politischen Kundgebung auf. Legendär sind die Redeschlachten geworden, als Franz Josef Strauß ans Rednerpult trat. Seither hat dies in Bayern Tradition - die anderen Parteien kommen offenbar ebenfalls auf den Geschmack - den Stammtisch-Geschmack! Ulrich Stock
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TAM-Wochenblatt Ausgabe 9 KW 11 | 16.03.2011 |
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