Die Aufregung war und ist groß: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), ehemals Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg, hat Plagiatsvorwürfe bezüglich seiner Doktorarbeit nunmehr bestätigt und gab damit zu, Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben zu haben. Dieses Thema beherrscht demnach seit Wochen die Schlagzeilen aller Medien, füllt Talkshows und animiert zu Satire, Spott, Comedy, etc. Vielmehr sollte es jedoch auch die Frage nach dem Markt aufwerfen, der rund um wissenschaftliche Arbeiten entstanden ist und sich nunmehr etabliert hat. Es geht viel weniger um das Abschreiben von Quellen, sondern vielmehr um das "Schreiben lassen" ganzer Arbeiten. Dieses Ghostwriting existiert als Dienstleistung, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut und für die unterschiedlichsten akademischen Grade, Ausarbeitungen und Fachbereiche angeboten wird. In erster Linie geht es dabei um ein Angebot, angehende oder auch bereits gestandene Akademiker/innen bei der Ausformulierung der wissenschaftlichen Arbeit unterstützend zur Hand zu gehen. Dies kann Lektorat und Korrektorat beinhalten, kann aber auch dazu führen, dass ganze Passagen einer Arbeit oder die gesamte Abhandlung von Agenturen übernommen werden. Recht(lich) fraglich Als Consulting-Agenturen, Wissenschafts- oder Textberatungen umgehen die Ghostwriting-Dienstleister insofern die Verfolgung durch die Justiz, indem sie ihren Kunden Musterarbeiten erstellen. Diese müssten seitens der Auftragnehmer eigentlich wissenschaftlich korrekt zitiert und angegeben werden. Versäumt ein/e angehende/r Akademiker/in dies, wäre es eigentlich Sache der Agenturen, sich darüber zu beschweren bzw. Plagiatsvorwürfe zu erheben, was sie jedoch selbstverständlich nicht tun. Da diese Musterarbeit natürlich nirgendwo anders veröffentlicht wird, ist sie demnach auch für Prüfungsämter unsichtbar bzw. nicht existent. De facto schreiben also diese Agenturen Abschluss- und Seminararbeiten jeglicher Art für ihre Kunden-unbemerkt von Prüfungskommissionen- und treten die Urheberrechte an ihre Auftraggeber ab. Ein Heer fähiger Freelancer und der Preis des Titels Consulting-Agenturen bzw. Wissenschafts- oder Textberatungen bewegen sich in gewisser Weise also in einer rechtlichen Grauzone. Moralisch sehen viele sie jenseits dieser Grauzone im roten Bereich, den es nicht zu tolerieren gilt. Schließlich müssten sich angehende Akademiker/innen in der Lage zeigen ihren wissenschaftlichen Grad auch verdient zu haben. Verdienen tun dabei eher andere. So ist das Prozedere und die Geschäftsidee der Agenturen auch jene, die sich hinter vielen Texterplattformen verbirgt: Ein mehr oder minder großes Heer an Texterinnen und Textern steht den Agenturen zur Verfügung. Auf diesen Pool können sie zugreifen, wenn Kunden Anfragen haben. Anders jedoch als beispielsweise bei Blogeinträgen oder anderen "personalisierten" Texten, sind akademische Arbeiten mit größerer Verschwiegenheitspflicht für die Schreibenden versehen. Referenzen oder ähnliches sind nicht vorgesehen und natürlich auch nicht die Option mit dem eigenen Namen als Autor/in genannt zu werden. Auch in Bezug auf die Bezahlung scheint das Ghostwriting vom Internet als Werbe- und Absatzmarkt geprägt. So finden sich auch bezüglich der Ghostwirting-Agenturen unzählige im Netz. Mal größer, mal kleiner, bieten sie allesamt vergleichbaren Leistungen an. Auch hinsichtlich der Preise, die deren Kunden für Seminar-, Bachelor- und Masterarbeiten zahlen müssen, scheint sich dieser Markt zu konsolidieren. Zwischen 3000 und 6000 Euro kosten akademische Arbeiten, wovon weniger als die Hälfte bei den eigentlichen Autoren hängenbleibt. Für Doktorarbeiten werden gut und gerne auch fünfstellige Summen fällig. Selbst Finanzierungen nach Bonitätsprüfung finden sich im Angebotsspektrum dieser Dienstleister. Inklusive Garantien zum Bestehen der Arbeit, was mitunter beinhaltet, dass Beanstandungen durch die Prüfer bei einer Überarbeitung im Preis inbegriffen sind. Privat vs. Agentur Natürlich beherbergt der Markt des Ghostwritings auch jene Einzelkämpfer, die sich entweder neben ihrem eigenen Studium oder auch danach als Schreiber von wissenschaftlichen Arbeiten verdingen. Dabei findet das "Marketing" ausschließlich durch Empfehlungen von Studierenden an Studierende statt. Aushänge an schwarzen Brettern wird man schwerlich finden. In der Regel sind ihre Preise günstiger als jene, die Agenturen verlangen, müssen diese doch ihre Infrastruktur, Verwaltung, etc. davon bezahlen. Unis haben das Nachsehen Ob nun seitens einer Agentur oder durch den vom Kommilitonen empfohlenen Freund geschrieben: Ghostwriting lässt sich schwer nachweisen. Obwohl Software existiert, die fremde (und nicht zitierte) Quellen in -in elektronischer Form vorliegenden- Arbeiten prüfen kann, wird der Nachweis des Betrugs schwer, sobald keine Quellen zum Vergleich vorliegen, weil sie in den Schubladen und auf den Rechnern der Ghostwirtingagenturen bzw. der Ghostwriting-Einzelkämpfer liegen. Und schließlich sehen Hochschulen jene schwarzen Schafe als einen Promillebereich unter den Ehrlichen an, die ihre Arbeit in Eigenregie verfassen. Marcello Buzzanca |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 7 KW 9 | 01.03.2011 |
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