Eigentlich waren die Streiks ja schon für den Montag angekündigt. Tatsächlich aber legte der Arbeitskampf der Lokführer am Dienstag - ausgerechnet zur Hauptverkehrszeit - und am Freitag zu einem späteren Zeitpunkt die Schienen lahm. Nichts geht mehr hieß es da in so manchem Bahnhof oder S-Bahn-Haltestelle. Doch blieben dieses Mal die Züge nicht einfach im Zielbahnhof stehen, sondern wurden vielmehr in die Bahnhöfe und Haltestellen (Unterwegsbahnhöfe) eingefahren und dann abgeschaltet. Damit wurde ausgeschlossen, dass Lokführer, die nicht in der Gewerkschaft organisiert sind trotzdem noch einige Verbindungen beliefern konnten. Bundesweit fielen dadurch am Dienstag zwischen 06.00 bis 08.00 Uhr 80 % der Züge aus oder haben sich verspätet, so etwa die S-Bahn Stuttgart komplett. Es hat im Nahverkehr Stunden gedauert, bis sich die Linien wieder eingetaktet hatten, im Fernverkehr sogar bis in die Nachmittagsstunden. Die zweite Streikwelle führte am vergangenen Freitag erneut zu erheblichen Behinderungen, obgleich dieses Mal die Pendler verschont geblieben sind, standen doch die Züge von 08.00 bis 11.30 Uhr still. Hinter diesen Protestmaßnahmen steckt einmal mehr der Tarifstreit. Die Gewerkschaften fordern einen einheitlichen Flächentarifvertrag mit einem Mindesteinkommen auf dem Niveau des Marktführers, der Deutschen Bahn. Daneben müsse eine soziale Absicherung für die Lokführer eingerichtet werden, die bei einem unverschuldeten Verlust der Fahrdiensttauglichkeit greift; Arbeitszeitenregelungen müssen eingeführt werden. Dieser Vertrag soll den Anfang Januar beschlossenen Branchentarifvertrag ablösen und nicht nur für den Personennah- und -fernverkehr, sondern auch den Güterverkehr der Deutschen Bahn und der sechs anderen großen Schienen-Personennahverkehrsunternehmen gelten. Die Deutsche Bahn hat zwar ein Einlenken siganlisiert - doch würde dadurch der Wettbewerb verzerrt, wenn die Privatbahnen nicht mitziehen! Dort heißt es, dass die GDL einen Tarifvertrag nicht ausverhandeln sondern vielmehr diktieren wolle. Das Entgeltschema der Deutschen Bahn mit all den Zulagen aus den alten Beamten-Tagen könne es im privaten Bereich gar nicht geben. Betroffen von einem solchen Flächentarifvertrag sind rund 26.000 Lokführer (etwa 70 % davon sind in der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL organisiert). Die Verhandlungen ziehen sich bereits über nicht weniger als sieben Monate - Ergebnis freilich gab es bislang keines. Jetzt liege der Ball bei den Arbeitgebern, betont Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der GDL. Vonseiten der Gewerkschaft wird auch nicht ausgeschlossen, dass es zu ähnlich langen Protestaktionen wie im Streikjahr 2007 kommen könnte. Der Tarifkampf tobte damals elf Monate lang. Am 7. März folgt eine Urabstimmung zu unbefristeten Streikmaßnahmen! Man könne noch härter und stärker, betont Weselsky. Die Bahnkunden sollen allerdings vorzeitig informiert werden! Dabei aber sind sich offenbar die Gewerkschafter intern uneins. So kritisiert etwa Alexander Kirchner Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG) gegenüber des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", dass sich die GDL abgrenzen wolle und den Konflikt zur EVG suche. Claus Weselsky (GDL) hingegen spricht der EVG die Berechtigung zum Tarifabschluss ab - sie wolle einzig ihr Organisationsgebiet ausdehnen. Das wiederum verstehen die am Bahnsteig stehenden Fahrgäste nicht mehr. Wird der eigentliche Tarifstreik vielleicht noch von sehr vielen eingesehen, so wird der interne Kompetenzenstreit zwischen den Gewerkschaften mit scharfer Kritik honoriert. Dieser werde auf dem Rücken der Pendler und Reisenden ausgetragen - das ist abzulehnen, meint etwa der Fahrgastverband "Pro Bahn" und appelliert an die Lokführer, sorgsam mit ihrem Streikrecht umzugehen! Die Fahrgäste dürften dabei nicht zu Geiseln werden. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 7 KW 9 | 01.03.2011 |
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