Jeder Sozialpolitiker Deutschlands weiß um die Notwendigkeit der Hartz IV-Reform. Doch scheiterten entsprechende Bemühungen auf Bundesebene in der vergangenen Woche erneut kurz vor ihrem Ziel. Vonseiten der SPD wird gar von einen "Skandal" gesprochen (Manuela Schwesig, Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern im ZDF). Sie schiebt den Schwarzen Peter der Kanzlerin zu - Angela Merkel sei eine "eiskalte Machtpolitikerin". Ihr gehe es weniger um die Betroffenen und Kinder als vielmehr darum, Ruhe in die Koalition zu bringen. So sei bereits im Vorfeld zu spüren gewesen, dass die Regierungsparteien gar nicht zu einer Einigung kommen wollten. Nach einem fünfeinhalbstündigen, nächtlichen Gesprächsmarathon zeigten sich wohl alle Teilnehmer sichtlich gezeichnet. Beide Seiten betonen, dass sie ein Gesamtpaket vorgelegt haben. Doch beschuldigt die CDU die Opposition, dass diese nur Maximalleistungen präsentiert habe. Sichtlich genervt hingegen war auch Sozialministerin Ursula von der Leyen. Sie reichte das Paket weiter in den Vermittlungsausschuss und den Bundesrat (hier scheiterte eine Abstimmung kurz vor Weihnachten an den von der SPD regierten Bundesländern). Sollen sich nun die Länder gegenseitig die Köpfe einschlagen. Die Fronten zu diesem wichtigen Thema haben sich also zumindest auf Bundesebene festgefahren. Allerdings muss endlich etwas ins Laufen gebracht werden, haben doch bereits vor einem Jahr die Richter des Verfassungsgerichtshofes die derzeitige Regelung als verfassungswidrig beurteilt. Sie forderten eine transparente Neuberechnung der Hartz IV-Sätze. 4,8 Millionen Erwachsene und nochmals rund 2 Millionen Kinder sind von dieser Entscheidung betroffen. Von der Leyen setzt sich für eine Aufstockung des Regelsatzes um 5 auf 364 € sowie ein Bildungspaket für bedürftige Kinder mit Zuschüssen für etwa ein warmes Mittagessen, Schulmaterialien und Freizeitaktivitäten ein. Schwesig (SPD) hat ein alternatives Modell vorgelegt - doch fällt auch hier unter dem Strich die Erhöhung des Regelsatzes in etwa der gleichen Höhe aus. Wo also liegt das Problem? Bei den "Aufstockern"! So fordert die Opposition, dass die zusätzlichen Gelder in der Höhe von max. 100,- € bei den Berechnungen außen vor bleiben sollen. Die Regierungsparteien jedoch wollen hier den Rotstift ansetzen und nurmehr die Familien mit Kindern berücksichtigen. Dadurch würde der Regelsatz um weitere 6 Euro auf 370,- monatlich ansteigen. Das allerdings lehnt die Koalition ab. Hier wird mit "weißer Ware" (z.B. Kühlschränke) oder auch einem Fahrtkostenzuschuss für Hartz IV-Empfänger in ländlichen Regionen gekontert. In der Finanzierung! So hat etwa die Sozialministerin angeboten, die kommunalen Kosten der Grundsicherung im Alter zu übernehmen. Dies würde innerhalb der nächsten vier Jahre eine Entlastung für die Kommunen von rund 12 Milliarden € darstellen. Die SPD allerdings zweifelt! Dies sei bereits durch Finanzminister Wolfgang Schäuble im Zuge der Gemeindefinanzierungsreform zugesichert worden. Außerdem müssten ja dann die Kommunen die Gelder für Bildung und Unterkunft übernehmen. Bislang wurden die Bildungsangebote für die Kinder durch die Jobcenter der Arbeitsagenturen organisiert - dies müssten künftig bei dem Vorschlag der Regierungsparteien die Kommunen übernehmen. In der Bundesratssitzung am Freitag schließlich kam es zu einer faustdicken Überraschung: In der Länderkammer wurde die Abstimmung durch einen mehr als interessanten Schulterschluss verhindert. So erklärte RP-Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) die Sache kurzerhand zur Angelegenheit der Ministerpräsidenten. Er will gemeinsam mit seinem bayrischen Amtskollegen Horst Seehofer (CSU) und dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt Wolfgang Böhmer (CDU) eine Einigung noch vor der nächsten Bundesratssitzung am 18. März treffen. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 5 KW 7 | 01.03.2011 |
|