Wer, wieso und wo - diese drei Fragen stellt sich wohl derzeit die ganze Nation angesichts der Tatsache, dass Briefe aus der Feldpost von deutschen Afghanistan-Soldaten geöffnet worden sind. Die Opposition - aber auch der Koalitionspartner FDP schießt aus vollen Rohren auf den bayrischen Adeligen. Die Grünen sprechen von einem "Strafbaren Eingriff in das Postgeheimnis", die SPD von einem "unerhörten Vorgehen", denn schließlich dürfe eine Kontrolle von Feldpost nur "bei konkreten Anhaltspunkten für ein Fehlverhalten" erfolgen. In etwa ähnlich formuliert es auch die Wehrexpertin der FDP, Elke Hoff. So haben "die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz Anspruch auf einen ungestörten Briefwechsel mit ihren Angehörigen..." Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch spricht ebenfalls von einem unmöglichen Eingriff in die Privatsphäre. Ans Licht kam der Umstand durch ein Schreiben des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus. Inhalt ist der Umstand, wonach sich bei seinem letzten Besuch bei den in Afghanistan stationierten Soldaten einige beschwert haben, dass ihre Briefe offenbar systematisch geöffnet wurden. Systematisch bedeutet in diesem Falle aufgrund von "Sicherheitsbedenken" - dies lässt Vermutungen der Zensur aufkommen! Dabei handelt es sich um Zusendungen einer Fallschirmspringer-Einheit aus dem niedersächsischen Seedorf in die Heimat. Die Einheit selbst ist gemeinsam mit afghanischen Soldaten auf einem Außenposten (OP North in der nordafghanischen Provin Baghlan) stationiert und kämpft dort an vorderster Front gegen die Taliban. Zu Guttenberg hat sofort nach Bekanntwerden der Affäre eine rückhaltlose Aufklärung und etwaige Konsequenzen bei vorsätzlichem Handeln angekündigt. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Experten gehen allerdings nicht von einer gezielten Zensurmaßnahme aus, da die Zahl der geöffneten Postsendungen nicht dafür spreche. Daneben bestünde auch kein Anlass für eine solche Anweisung im öffentlichen Auftrag. Eine Zugriffsbefugnis sei nicht erteilt worden. Nach Angaben des Sprechers im Verteidigungsministeriums, Steffen Moritz, sind ca. 20 Briefe von 15 Soldaten in den letzten drei Monaten geöffnet am Bestimmungsort angekommen - teilweise fehlte auch der Inhalt - also das Schreiben selbst!. Diese Post wird im Lager Faisabad gesammelt und durch ein Bundeswehrfahrzeug in das Hauptquartier der Bundeswehr in Masar-i-Scharif transportiert, bevor sie mit Transportmaschinen der Deutschen Bundeswehr ausgeflogen wird. Über das Verteilerzentrum in Darmstadt werden die Sendungen dann in ganz Deutschland zugestellt. In diesem fraglichen Zeitraum allerdings übernahm den Transport aus der Unruheregion ins Hauptquartier ein privates, höchstwahrscheinlich afghanisches Unternehmen! Gerade bei jenen Truppenkörpern, die in solchen Regionen wie Afghanistan stationiert sind, fehlt zumeist ein unmittelbarer Internetzugang oder eine Telefonverbindung. Deshalb wird noch fleißig zu Papier und Feder gegriffen. Vonseiten der Bundeswehr heißt es, dass in Darmstadt pro Jahr etwa 920.000 Briefsendungen und ca. 270.000 Pakete weitergeleitet werden. Die Sortierung der Feldpost wird durch rund 120 Reservisten durchgeführt. Sollte es hierbei wirklich zu illegalen Öffnungen gekommen sein, so bedeutet dies einen sensiblen Verstoß gegen das Grundgesetz (Post- und Fernmeldegeheimnis). Sollte sich der Verdacht auf ein strafbares Vorgehen bestätigen, so werde sofort die Staatsanwaltschaft informiert, betont das Verteidigungsministerium. Im Falle des Schuss-Unfalls wurde dies bereits in Gera veranlasst, da die betroffene Einheit aus Thüringen stammt. Ein Zusammenhang mit der Feldpost-Affäre allerdings wird ausgeschlossen, obwohl auch dies im OP North geschehen ist, so Ministeriumssprecher Moritz. Zu den Vorfällen auf der Gorch Folk hat zu Guttenberg bundeswehrinterne Ermittlungen eingeleitet. Aus dem Bundeskanzleramt heißt es inzwischen, dass untersucht werden müsse, was falsch gelaufen sei und gegebenenfalls müssten Konsequenzen gezogen werden! (Regierungssprecher Steffen Seibert). Die Bundeskanzlerin sei sich aber ganz sicher, dass "dieser ausgezeichnete Verteidigungsminister" seiner Aufgabe durchaus gewachsen sei, wird ein Rücktritt Guttenbergs ausgeschlossen. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 2 KW 4 | 14.02.2011 |
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