Das nördlichste Land Afrikas gilt auch als das wettbewerbsfähigste Land des Kontinents. 2008 etwa wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 6,3 % - im selben Jahr erreichten die ausländischen Direktinvestitionen mit rund 29 Mio US-Dollar ihren bisherigen Höchststand. Wirtschaftlich also bewegt sich das Land auf der Überholspur. Verantwortlich dafür zeichnet im wesentlichsten Maße Zine el-Abidine Ben Ali, Staatspräsident Tunesiens von 1987 bis 2011. Er lehnte offiziell die politische Struktur an der Präsidialrepublik der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich an. Experten allerdings sprechen von einem totalitären Regime. Es fehle die politische Transparenz, die Meinungsfreiheit wird durch die Zensur unterdrückt, die Justiz wird häufig vom Regime instrumentalisiert! Gegner der Regierung landen nicht selten im Gefängnis! Diese Faktoren gaben schliesslich auch den Ausschlag für die derzeitige Lage! Ben Ali, der über 23 Jahre hinweg das Land autokratisch regiert hat, ist bei den ersten Anzeichen der sog. "Jasminrevolution" angeblich nach Saudi-Arabien geflohen, der bisherige Regierungschef, Premierminister Mohamed Ghannouchi hat eine Interimsregierung zusammengestellt. Ihr gehören Vertreter der bisherigen Opposition sowie Experten aus allen möglichen Bereichen an! Damit hofft man in Tunis, die Unruhen, die zuletzt immer heftiger wurden, wieder in den Griff zu bekommen. Doch will dies nicht wirklich geschehen. Jetzt protestieren die Massen gegen den Premier, der als enger Weggefährte des entmachteten Staatspräsidenten Ben Ali gilt und das harte Vorgehen von Polizei und Militär gegen die Demonstranten verteidigte. Zahlreiche Menschen wurden dabei erschossen. Seither finden im ganzen Land Plünderungen statt, an welchen sich auch Polizisten und bewaffnete Ausländer beteiligten. |
Diese Unruhen wurden zuletzt durch einen Leitartikel in der französischen Zeitung "Le Monde" angeheizt, wonach die Gattin des Staatspräsidenten, Leila Trabelsi, das Land angeblich mit rund 1,5 Tonnen Gold verlassen haben soll. Sie galt als korrupt und geldgierig. Die Barren hat sie selbst in der Zentralbank in Tunis abgeholt. Die Geflohenen sollen inzwischen in einem Palast des saudischen Königshauses in Dschidda Zuflucht gefunden haben. Hier wird ihnen bis zum Sommer Unterschlupf gewährt, heisst es von gut unterrichteten Kreisen aus Riad. Gegenwärtig reicht ein noch so kleiner Funke, um das Feuer erneut anzufachen. So demonstrierten etwa im Westen des Landes, in Siri Bouzid und Regueb, unzählige Menschen aufgrund der Selbstmordes eines Akademikers. Der 26-jährige, arbeitslose Mann hatte sich am 17. Dezember aus Verzweiflung über seine Lage in Regueb selbst verbrannt. Regierungschef Ghannouchi ist redlichst darum bemüht, die Wogen zu glätten. So erklärte er als erstes die Zensur für beendet und gewährte Presse- und Meinungsfreiheit. Alle politisch Gefangenen sollen auf freien Fusse gesetzt und das Propaganda-Instrument Ben Alis, das Informationsministerium, abgeschafft werden. Die tunesische Verfassung verpflichtet das Interimskabinett innerhalb von 2 Monaten zu Neuwahlen. . Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 1 KW 3 | 14.02.2011 |
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