Papstbesuch - Ethos und Recht | 23.09.2011 |
Kritiker bezeichnen die Katholische Kirche nach wie vor als "oligokratische Einrichtung", als eine Institution mit klar hierarchischem Aufbau, bei welcher einige Wenige die Fahrtrichtung vorgeben. Demokratische Bestrebungen werden dabei weitestgehend missachtet. So etwa auch bei der derzeit laufenden österreichischen Pfarrerinitiative "Aufruf zum Ungehorsam", bei welchem sich nicht weniger als 300 Priester des Alpenstaates beteiligen! Kardinal Christoph Schönborn spricht von "Zorn und Trauer" (www.kath.net). Sie fordern selbstgestaltete Wortgottesdienste, die Zulassung von Frauen zum Priesteramt, Predigten von Laienpriestern und nicht zuletzt auch die Abschaffung des Zölibates. Die Ehelosigkeit hatte Bendikt XVI. zuletzt beim Weltjugendtag in Madrid vor Priesterseminaristen bekräftigt. Sollte demnach das Oberhaupt einer solchen Oligokratie vor dem höchsten Gremium einer Demokratie auftreten können?
Diese Forderungen der Pfarrer sind Im Übrigen auch das eigentliche Problem der Katholischen Kirche in der Gegenwart. Frauen werden nach wie vor stark benachteiligt. Von Gender Mainstreaming somit also keine Rede, wobei diese Gleichstellung der Geschlechter aber in den meisten Verfassungen der westlichen Welt niedergeschrieben ist. Der Zölibat gilt seit Jahrzehnten als umstritten und zeitlich überholt. Weshalb soll es ausgerechnet Priestern untersagt sein, das heilige Sakrament der Ehe einer geliebten Frau zu spenden (das Ehesakrament wird durch die Eheleute, nicht dem Priester gespendet)? Durch die zunehmende Arbeit der Pfarrer auch als Familientherapeut wird der Zölibat ad absurdum geführt. Mit dieser Einstellung aber steht die Katholische Kirche konträr zum kleinsten Baustein einer jeden Gesellschaft - der Familie!
Sehr viele der Demonstranten aber gehen aufgrund des Sexes auf die Straße. Vor rund 40 Jahren hatte Papst Pius VI. in seiner Enzyklika "Humanae vitae" Verhütungsmittel verboten. Nur eine kleine Minderheit war für diesen harten Kurs der Katholischen Kirche. Doch gilt der Heilige Vater, der Nachfolger Petris, als unfehlbar. Somit mussten dies auch die deutschen Bischöfe zur Kenntnis nehmen, die dieser Entscheidung kritisch gegenüberstanden. Die Verwendung von Kondomen etwa würde in der Gegenwart gleich in mehrfacher Hinsicht Sinn machen. Aids kann in seiner Ausbreitung verhindert werden. Der Hunger könnte in Ländern der Dritten Welt bekämpft werden. Und so manche streng katholische Familie wäre nicht mit einem solch großen Nachwuchs gesegnet, wobei die Mutter zur Akkordarbeiterin verdammt ist und der Vater nicht mehr weiß, welche Jobs er noch machen muss um die Familie ernähren zu können. Hier muss fairerweise erwähnt werden, dass sich alle Nachfolger von Pius VI. schwer taten, die Grundsätze einer Enzyklika zurückzunehmen. Auch wenn dieses Verhütungsverbot gegen das Grundrecht des Einzelnen verstößt, so könnte es durchaus als geeignetes Instrument gegen den demographischen Wandel eingesetzt werden, würde jedoch den Sparbemühungen der Regierung widersprechen.
Unter diesen Punkten betrachtet, birgt der politische Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland einiges an Brisanz. Nicht vergessen werden sollte, dass Bundespräsident Christian Wulff das Oberhaupt des Vatikans eingeladen hat. Damit wurde dem ehemaligen deutschen Kardinal, jetzigen Oberhaupt einer Weltkirche und politischen Führer eines Kleinstaates sehr viel Fingerspitzengefühl abverlangt, um nicht für weitere Diskussionen, weitere Missverständnisse und Skandale zu sorgen. Zuletzt war die Aufhebung der Exkommunikation der vier traditionalistischen Bischöfe dafür verantwortlich. Und dies natürlich immer vor dem Hintergrund der nach wie vor steigenden Kirchenaustritte.
Ulrich Stock
Die katholische Kirche wird immernoch als
oligokratische Einrichtung bezeichnet.
Viele demonstrierten aufgrund des Sexes
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