Der 28. Juni 2012 - ein trauriger Tag für Deutschland. Jogi Löw scheiterte im Halbfinale der Euro 2012 in der Arena von Warschau mit der deutschen Fussball-Auswahl an Italien. Die ganze Nation sass fassungslos vor den Bildschirmen. Die ganze Nation? Nein - eine Handvoll Bundestagsabgeordneter widersetzte sich dem Strassenfeger und stimmte in nur 57 Sekunden im Hohen Haus in Berlin über das neue Meldegesetz ab. Derzeit klappen mehr oder weniger regelmässig 620 Damen und Herren die Sessel im Bundestagsgebäude herunter. Die meisten sahen im Fernsehen zu, wie Balotelli das DFB-Team im Alleingang aus dem Turnier schoss, einige auch direkt im Stadion in Warschau. Nur wenige gingen inzwischen zuhause ihrer Arbeit nach und entschieden damit über eine Vorlage, die der Regierung nun mehr als schwer im Magen liegt. Im Nachhinein betrachtet stellt sich ernsthaft die Frage: Haben die Damen und Herren Politiker auch durchgelesen, was sie da auf den Weg gebracht haben? Mit nur einer Abstimmung wurden all die jahrelangen Bemühungen um Datenschutz und Werbeflut in den Briefkästen mit Füssen getreten.
Der Entwurf der Bundesregierung zum neuen Meldegesetz (§ 44) sieht vor, dass Daten wie Namen, Geburtsdatum und Adresse nur mit Einwilligung des Betroffenen weitergegeben werden dürfen (dies entspricht auch dem Bundesdatenschutzgesetz). Der Innenausschuss jedoch änderte dies in eine Widerspruchsregelung. Somit muss der Betroffene etwa bei der Anmeldung auf dem Einwohnermelde- bzw. Bürgeramt dem widersprechen. Dies ist auch die derzeitige Regelung. Zusätzlich wurde durch den Innenausschuss der Passus eingefügt, dass die Weitergabe zu Werbezwecken nicht verboten ist, wenn die Daten lediglich der Bestätigung und Berichtigung bereits bestehender Datensätze dienen. Dadurch werden die Kommunen zu heiss begehrten Datenverkäufern und mischen in dem nach wie vor noch nicht wirklich sauberen Adressenhandel kräftig mit. Die Werbewirtschaft ist sehr an diesen Informationen interessiert, können doch Kampagnen zielgruppenkonform und regional abgestimmt über Direct Mailings wesentlich kostengünstiger und effizienter umgesetzt werden. Durch den zusätzlichen Passus kann zudem gar nicht Einspruch erhoben werden.
|
D.h. dass Adressenhändler auch mit Widerspruch des Betroffenen Einblick in seine Meldedaten erhalten können.
Gesetzesvorlagen können in der Begutachtungsphase eingesehen werden. Hier steht es jedem Bürger zu, Verbesserungsvorschläge einzubringen. Datenschützer warnten schon damals. Vor der Abstimmung erhalten die Damen und Herren Abgeordnete Abschriften der Vorlage - hier wird meist auch die Fraktionslinie festgelegt. Wer an diesem nicht nur fussball-historischen Tag abgestimmt hat, lässt sich im Nachhinein schwer eruieren - sehr im Sinne der Betroffenen. Fakt ist, dass zuerst Rheinland-Pfalz Bedenken geäussert hat und betonte, im Bundesrat gegen das neue Gesetz zu voten. Baden-Württemberg und Bayern haben sich angeschlossen. Nun konnte auch jenes Ressort, das neben dem Bundesinnenministerium wohl am meisten von dieser neuen Regelung betroffen ist, nicht mehr ruhig sitzen vleiben. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte eine neuerliche Überarbeitung der Vorlage. Zuletzt distanzierte sich die komplette Regierung davon! Niemand will dieses Unding verbrockt haben.
weiterlesen ...
|