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Online-ZeitungDer Fall Demjanjuk |
19.03.2012 |
Dort saß der Mann für sieben Jahre im Gefängnis - fünf davon in der Todeszelle - bis Zweifel an seiner Schuld aufkamen. Damals soll das Office of Special Investigations (eine Ermittlungsbehörde des US-Justizministeriums) absichtlich nicht Hinweisen nachgegangen sein, die von einer Verwechslung sprachen. Erst durch die Öffnung russischer Archive konnte diese aufgedeckt werden - der Oberste Gerichtshof Israels hob das Todesurteil auf, der Betroffene kehrte daraufhin wieder zu seiner Familie in den US-Bundesstaat Ohio/USA zurück. Im Mai 2009 schliesslich wurde er erneut abgeschoben - dieses Mal nach Deutschland. Die Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg hatte die Geschichte aufgegriffen. Seine Familie hatte immer wieder versucht, die Abschiebung zu verhindern. John Demjanjuk jun. betonte 2009, dass Deutschland versuche, mit diesem "Rachefeldzug" seine Vergangenheit wieder gut zu machen. Auch Rechtsexperten, wie der Herausgeber der kommentierten Urteilssammlung Justiz und NS-Verbrechen, Prof. Christian F. Rüter, betonten von Beginn des Prozesses an, dass eine Verurteilung Demjanjuks bei dieser Beweislage unwahrscheinlich ist. Man urteile dabei über den "kleinsten der kleinen Fische", dem aber nach wie vor der Geruch Iwans des Schrecklichen anhafte. Ein Ambulanz-Flugzeug brachte den ehemaligen KZ-Wächter nach Deutschland, wo er zunächst im Münchner Untersuchungsgefängnis Stadelheim einsass. Ab diesem Augenblick wurde Demjanjuk zum Sozialfall. Die USA hatten ihn als staatenlos erklärt und ihm neben der Staatsbürgerschaft auch den Pass abgenommen. Damit konnte er von Deutschland nicht mehr ausgewiesen bzw. abgeschoben werden. Auch seine letzte Ruhestätte wird der Mann in einem Armengrab in Deutschland finden - mit Steuergeldern bezahlt. Die jüdische Gemeinde in den Vereinigten Staaten hatte die Abschiebung des "gemeinen Individuums" begrüsst. Der Gründer des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Rabbi Marvin Hier sprach vom "wahrscheinlich letzten Prozess gegen einen Nazi-Kriegsverbrecher". |
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Dabei war bis zuletzt nach Angaben der Verteidigung nicht bewiesen gewesen, dass Demjanjuk dieses halbe Jahr im Vernichtungslager tätig war. Ausserdem war es bis 2009 Usus, dass die "letzten Glieder der Kette innerhalb der Mordmaschinerie" der Nazis nicht angeklagt werden (das deutsche Strafrecht spricht hierbei vom "Befehlsnotstand"). Der ukrainische Hilfswillige war demnach nur Befehlsempfänger. Deshalb sorgte der Prozess auch für solche Diskussionen. Um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, müssten Tausende von Hilfswilligen, Wehrmachtsoldaten und sonstige "Mittäter" verurteilt werden. Die grossen Kriegsverbrecher des 2. Weltkrieges sind entweder tot oder abgeurteilt. Jene, die jetzt noch ausfindig gemacht werden, sind die Kleinen. Inzwischen gebrechliche alte Greise, die wie in diesem Falle den Prozess nicht mehr überleben. Auch die Nebenkläger sind zumeist Angehörige, die dadurch die Erinnerung an die Shoa aufrecht erhalten wollen. Wie im Falle des John Demjanjuk geht es zumeist nicht um den Einzelnen selbst. In der Öffentlichkeit wird auch mehr darüber diskutiert, ob es denn noch Sinn mache, alte und grossteils gesundheitlich angegriffene Menschen einzusperren. (Ulrich Stock) |
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