Die in den Fernsehnachrichten gezeigte Pressekonferenz des stellvertretenden Generalbundesanwaltes Rainer Griesbaum sorgt in Deutschland für grosse Besorgnis. Bei Razzien in Düsseldorf und Bochum wurden grössere Mengen an Materialien und Bestandteilen für den Bombenbau beschlagnahmt und drei mutmassliche Mitglieder der Terrororganisation Bin Ladens, der al-Qaida, festgenommen. Die Ermittler des Bundeskriminalamtes hatten die Männer schon seit rund sechs Monaten im Visier. 65 Beamte waren hierfür rund um die Uhr unter dem Decknamen "Komet" im Einsatz. Handies und Computer standen unter Beobachtung. Nach Angaben von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erfolgte der Zugriff aufgrund des Bombenanschlags in Marrakesch vom vergangenen Donnerstag - noch bevor die Ermittlungen abgeschlossen waren. Die mutmasslichen Attentäter standen sozusagen in der Experimentierphase, wodurch eine "konkrete und bevorstehende Gefahr" vorzeitig abgewehrt wurde. Die inzwischen Inhaftierten suchten im Internet nach elektronischen Bauteilen sowie Anleitungen zum Bau von Sprengstoff und Zündern (sog. "Bombenkochbüchern"). Daneben lief auch die Beschaffung von Wasserstoffperoxid und etwa Aceton sowie anderen Materialien. Geplant war eine mit Metallteilen versetzte Splitterbombe, die in einer grösseren Menschenansammlung gezündet werden sollte. Aufgrund der beschlagnahmten Menge an Einzelmaterialien ziehen die Experten Vergleiche zum Jahr 2007. Dabei flog eine Gruppe von Terroristen im Sauerland auf. Sie sollten im Namen der islamistischen Jihad-Union Anschläge in Deutschland verüben. Alle wurden zuvor in einem sog. "Terror-Camp" ausgebildet. So auch in diesem aktuellen Fall. Der Haupttäter, ein 29-jähriger Marokkaner soll nach Angaben des US-Geheimdienstes Anfang letzten Jahres in einem Ausbildungscamp der al-Qaida im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ausgebildet worden sein, wo er den Auftrag für dieses Attentat von einem hochrangigen Mitglied des Terrornetzwerkes erhalten haben soll. Bei den beiden anderen Festgenommenen handelt es sich um einen Deutsch-Marokkaner und einen Deutsch-Iraner. Verbindungen nach Marokko und in den Kosovo konnten inzwischen nachgewiesen werden. Im österreichischen Wien wurde ebenfalls ein Kontakt zu einem Marokkaner hergestellt, der nach einem Hinweis aus Deutschland seit Dezember 2010 unter Beobachtung der Staatspolizei steht, sich aber bislang nichts zu schulden kommen liess. Nach dem Hinweis eines bzw zweier Informanten, die auch in diesem Fall die Verbindungen hergestellt haben, sind die Sicherheitsvorkehrungen und die Polizeipräsenz auf Flughäfen, in Bahnhöfen und bei Gebäuden mit besonderem Symbol-Charakter (Berliner Reichstag etwa) im November durch den damaligen Innenminister Thomas de Maizière verstärkt worden. Durch die verheerende Bomben-Detonation auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo im Januar 2011 wurden diese Vorkehrungen noch verschärft. Damals wurden 35 Personen getötet, rund 170 weitere verletzt. Die Lage habe sich inzwischen etwas entspannt, weshalb die sichtbaren Sicherheitsmassnahmen zurückgefahren wurden. Doch auch jetzt kann nicht von einer Entwarnung gesprochen werden. So betont der Bundesverfassungsschutz, dass die Bedrohung durch Extremisten nach wie vor als durchaus ernst einzustufen ist. Islamistische Terroristen haben dabei "das Ziel eines Anschlages nicht aufgegeben!", so der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Nach seinen Informationen ist der Mitgliederkreis der Islamistenszene in Deutschland alleine im vergangenen Jahr um 1.000 auf etwa 37.500 Personen angewachsen, wobei allerdings die Mehrzahl auf nicht gewaltorientierte islamistische Organisationen entfalle. Beim BKA sind 80 Islamisten in Deutschland bekannt, die zur Ausbildung in Terror-Camps gewesen seien. Für die Radikalisierung sorgen vornehmlich die Salafisten, die für eine streng korangetreue Lebensweise eintreten. Welche Auswirkungen nun der angebliche Tod Bin Ladens haben wird, ist derzeit noch nicht geklärt. Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes BKA, schätzt die Grösse der zersprengten Terrorzelle auf sieben bis acht Personen - "Aber es können auch mehr sein!" Insgesamt wurden bislang sechs Wohnungen durchsucht - 108 Beamte des BKA und der GSG-9 standen hierfür alleine am Freitagmorgen in Düssseldorf, Bochum und Essen im Einsatz. "Freudig begrüsst" wurde von den vermeintlichen Bombenbastlern offenbar in abgehörten Telefongesprächen das Attentat vom Donnerstag auf ein Café in Marrakesch, bei welchem 16 Menschen um's Leben kamen. In Deutschland wurde durch diesen konkreten Fall die sicherheitspolitische Debatte wieder entfacht. So fordern Polizeigewerkschaft und CSU die Verlängerung der bis 2012 befristeten Anti-Terror-Gesetze. Hiergegen sträubt sich allerdings die FDP, da etwa auch die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung für Telefon und Internet hiermit einher gehe. Dagegen hat sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger strikte verwehrt, da alle Daten gespeichert werden - somit auch jene unbescholtener Bürger und Bürgerinnen. Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 16 KW 18 | 04.05.2011 |
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