Wir kennen es alle! (dd) "Schatz, Vorsicht, da vorne!!" "Was? Wie? Wo?“ - und schon ist es passiert.
Sein Fluchen und der Versuch unter körperlicher Einwirkung der Lage Herr zu werden, zeigen keinerlei Wirkung auf Bello, der längst in anderen Sphären weilt. Nicht einmal die Entfernung der vermeintlichen Gefahr vom Ort des Geschehens vermag den aufgebrachten Vierbeiner zu bremsen. "Du hättest früher eingreifen müssen! Hast du es denn nicht an seinen Ohren gesehen?!" "Was denn? Als hättest du was gesehen! Du spinnst doch!" "Jetzt hast du uns wieder ein paar Trainingsschritte zurück geworfen mit deiner Achtlosigkeit! Verdammt noch mal!" "Dann geh doch das nächste Mal alleine spazieren! Ist mir doch egal!" So oder so ähnlich haben es schon viele der meist weiblichen (Angst-)Hundebesitzer erlebt: das fehlende Einfühlungsvermögen der männlichen Bezugspersonen im Umgang mit dem ängstlichen bzw. unsicheren Hund. Zwischen Wut und Unverständnis mischen sich nicht selten auch Gefühle wie Verzweiflung und Resignation. Warum kann Mann nicht wie er müsste? Dabei scheint die Situation doch aus Sicht der Frau offensichtlich und vollkommen logisch – wo ist das Problem? Und vor allem: warum ist es dermaßen weit verbreitet? Hat man anfangs noch das ungute Gefühl, auf eine besonders rücksichtlose und emotionsgestörte Spezies der Gattung Mann gestoßen zu sein, weicht dieses Gefühl zunehmend der Genugtuung und zugleich Ratlosigkeit angesichts der Geständnisse zahlreicher weiterer "Opfer" der männlichen Unzulänglichkeit. Ähnliche Geschichten, ähnliche Situationen, ähnliche Reaktionen. Erstaunlich, faszinierend, mysteriös – oder ganz leicht erklärbar? Nähern wir uns dem Thema zunächst pragmatisch auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, wo man fast zwangsläufig über den Begriff „Gendering“ stolpert. Kurz zusammengefasst handelt es sich dabei um Alltäglichkeiten, durch die typische Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit tief in Denken und Wahrnehmung eingraviert werden. Trotz einer immer offener werdenden Gesellschaft und zahlreicher Bemühungen, eine Gleichbehandlung zwischen den Geschlechtern zu erreichen, gibt es doch weiterhin zahlreiche Faktoren, die dazu führen, dass ein Mann eben ein "Mann" ist. |
Wie hängen derartige Aussagen nun mit dem fehlenden Einfühlungsvermögen des Mannes bei Problemen mit dem Hund zusammen? Ganz einfach, "Einfühlsamkeit" bedeutet, dass derjenige diese Gefühle selbst spüren und verstehen muss, um dementsprechend handeln zu können. Wenn der Mann diese Gefühle aber nun nicht zulässt, vermag er es auch nicht, sich in eine andere Person, in diesem Fall den Hund, hineinzuversetzen und dessen Reaktionen zu verstehen und dementsprechend selbst reagieren zu können. Um die männliche Identität aufrecht zu erhalten, werden diverse Taktiken angewandt, wie z.B. das Ignorieren/Ausweichen und das Ironisieren. Und nicht selten zieht sich der Mann mit eben diesem "Dann mach es doch allein, wenn du alles besser kannst!" geschickt aus der Verantwortung. Neben dieser grundsätzlichen Möglichkeit (nicht alle Männer sind in gleichem Maße betroffen) spielen sicherlich weitere Faktoren eine Rolle, wie z.B. die Tatsache, dass es häufig die Frauen sind, die sich zum Hund entschieden haben und die nötige Motivation mitbringen. In einigen Fällen ist der Mann ganztags beschäftigt, während die Frau mehr Zeit zu Hause verbringt, was wiederum zwangsläufig dazu führt, dass sie womöglich eine engere Beziehung zum Hund aufbauen kann.
Es ist also möglicherweise schon grundsätzlich mehr Einsatz von den Männern gefordert, als von den Frauen. Zu guter Letzt wäre noch die unterschiedliche Sicht der Dinge zu nennen, wobei Männer doch oft deutlich toleranter in Bezug auf Verhaltensweisen sind, die einer Frau das Blut in den Adern gefrieren lassen. "Das bisschen Bellen ist doch nicht schlimm, er kann ihm doch ruhig zeigen, dass er ihn nicht leiden kann…Du machst immer gleich ein solches Drama daraus!". Realitätsverweigerung des Mannes oder Überreaktion der Frau? Sicher ist, eine generelle Aussage lässt sich hier nicht treffen. Es kommt wie immer auf die Situation und den Hund an. Aber ich bin mir sicher, die ein oder andere hier getroffene Aussage wird dem einen oder anderen Betroffenen bekannt vorkommen… |
Bello hängt knurrend und keifend in der Leine und Herrchen hat es nur seiner massigen Statur zu verdanken, dass er eine nähere Bekanntschaft mit dem matschigen Untergrund vermeiden konnte.
Im Klartext: ein Mann ist stark, ein Beschützer, "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" – jegliche Form der Emotionalität wird schon im Kindesalter mit Hohn und Spott unterbunden. Gefühle, die grundsätzlich den Frauen zugeordnet werden, wie Trauer, Angst, Zärtlichkeit, werden in gewisser Weise "abgespalten". Die Gefühlsabwehr des Mannes ist der Versuch, diese männliche Identität aufrecht zu erhalten.
Nicht vergessen sollte man, dass Männer es in den meisten Fällen per se einfach schwieriger haben, das Vertrauen des Hundes zu gewinnen, da das "Männerproblem" bei Hunden durchaus weit verbreitet ist. Männer sind im Allgemeinen größer, massiver gebaut, bewegen sich anders und haben eine tiefere, oft lautere Stimme – dies alles kann unheimlich, wenn nicht sogar bedrohlich auf einen Hund wirken.
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