Sonderausgabe - Personalratswahl |
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Online-ZeitungAusgabe 1 |
Erfahrungsbericht eines Betroffenen |
05.12.2012 |
05.12.2012 |
Seite 12 - 2012 - Berliner Schlüssel
Angestellte hinter Gitter
Tarkan Demir steht in seinem Wohnzimmer und bügelt sein blaues Hemd. Auf der linken Ärmelseite ist der Berliner Bär. Morgen hat er wieder Frühdienst von 6.00 – 14.00 Uhr. Es ist sein Achter hintereinander …
„Ihr Beamte habt doch immer Urlaub“. Tarkan ist kein Beamter. Er ist Angestellter im Vollzugsdienst.
Seine Ausbildung begann er als Justizvollzugsobersekretärsanwärter, Beamter auf Widerruf und war unglaublich glücklich: Jetzt hatte er es geschafft.
Tarkan ist 39 Jahre alt und heute ist wieder einer dieser Tage an denen er ’froh’ ist, dass er nicht schon vorher wusste worauf er sich eingelassen hat. Damals hatte er an einer Führung durch die JVA teilgenommen. Seine Frau, Cheryn, lag ihm seitdem in den Ohren: “Warum bewirbst du dich denn nicht da. Wir müssten uns keine Sorgen mehr machen.“ Tarkan war 20 Jahre lang als Maurer tätig und wusste sofort, seine Frau hatte wie immer recht. Diesen Job kann er nicht ewig machen. So entschied er sich also zur Freude seiner Frau und bewarb sich für den Dienst bei der Justiz. ‚Gut’, dass er damals nicht wusste was das hieß. Durch diese Bewerbungsodyssee hat sich Tarkan erfolgreich durchgeschlagen. Leicht war das nicht. Zuerst der schriftliche und danach der mündliche Eignungstest. Es folgten der Fitnesstest und die ärztliche Untersuchung. Alles zog sich über mehrere Stunden innerhalb mehrerer Monate. Immer wieder musste er seinen aktuellen Job darauf abstimmen. Welcher Chef ermöglicht einem schon einen derartigen Wechsel.
Es gelang und Tarkan war froh. Nun beginnt ein neuer Lebensabschnitt.
Mit nunmehr 37 Jahren begann er seine Ausbildung als Justizvollzugsbeamter. In seinem Einstellungsgespräch erklärten ihm die zuständigen Entscheidungsträger wie es nun mit ihm weiter geht. Er wird verbeamtet. „Puh – geschafft“, dachte Tarkan damals. Es würde die Verbeamtung auf Probe folgen und dann die auf Lebenszeit. „Meine Frau wird sehr glücklich darüber sein“, dachte Tarkan damals und versuchte so gut wie möglich seine Euphorie zu verbergen.
Heute weiß er es besser. Sie haben ihn belogen. Tarkan ist 2012 Beamter auf Widerruf geworden und hat seine Prüfungen alle erfolgreich bestanden. Aber er wurde nicht Beamter auf Probe. Berlin hat kein Geld! Was nun? „Herr Demir“, haben sie zu ihm gesagt, „seien Sie doch froh, dass Sie hier arbeiten können“. Tarkan hatte das Gefühl, er bekäme Backpfeifen. „Herr Demir, Sie werden als Angestellter übernommen und eines Tages als Beamter eingestellt. Wann können wir noch nicht sagen, wenn eine Stelle frei wird.“
Tarkan steht an seinem Bügelbrett und ist traurig. Vor nicht allzu langer Zeit hat seine Frau die Hemden gerne für ihn gebügelt. Nun macht er es immer häufiger selber. Heute hatten sie wieder Streit und seine Frau erinnerte ihn an die Versprechen, die er der Familie gab.
„Wir müssen nur bis zum 1.6.2012 durchhalten, dann gibt es genug Geld“. Doch dann kam das böse Erwachen: Anstellung als Angestellter. Während seiner Ausbildung mussten sie ihren Dispo in Anspruch nehmen. 2000,00 € müssen von dem schmalen Budget erst einmal abbezahlt werden. Kleine Annehmlichkeiten, wie Kino oder ein Restaurant sind nicht mehr möglich.
Tarkan wusste schon länger, es werden keine Stellen frei sondern auf „Teufel komm raus“ eingespart. Was soll nun aus ihm werden? Tarkan ist inzwischen ein halbes Jahr Angestellter. Seine Frau hat bei Schlecker gearbeitet und bekommt zur Zeit Arbeitslosengeld. Sie ist eine von denen, die wenigstens ihre Papiere rechtzeitig bekommen haben. In der Zwischenzeit hat Tarkan auch noch eine nicht unerhebliche Mieterhöhung bekommen.
Tarkan geht jeden Tag zur Arbeit und bekommt im Durchschnitt 500,00 € weniger als seine verbeamteten Kollegen und noch einmal 400,00 € weniger als im Bundesdurchschnitt. Seine Kollegen sind sehr nett und er wird auch freundlich und kompetent von seinen Kollegen angenommen.
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Jetzt ist es Tarkan, der seiner Frau in den Ohren liegt: “Lass uns doch von hier weg gehen. In ein anderes Bundesland. Vielleicht Brandenburg … „Seine Frau möchte hier nicht weg und doch weiß sie, ihr Mann hat recht.
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