Ich erinnere mich noch gut an die Erzählungen meines Vaters, wie er einst mit seinem Vater zum ersten Mal in die alten Bundesländer gereist ist. Den „Osten“ erkannte man auf der Rückfahrt an den Schlaglöchern.
Ich fuhr nun also durch diese Landschaft, die einige Thüringen nennen. Thüringen, dem grünen Herz Deutschlands, geht es wirtschaftlich eher schlecht, wobei es mir auch schlecht gehen würde, wenn ich ein grünes Herz hätte. Trotzdem hat unser reiches Land überall in Thüringen Tunnel und Brücken hingebaut, manchmal wirkt es so, als hätte man manche Straßen extra so gelegt, dass man einen möglichst langen Tunnel graben kann. Und, um ehrlich zu sein, einige Berge sehen sogar recht künstlich aus…
Thüringen ist eben recht grün, manchmal trifft man auf der Autobahn auf einen entlaufenen Wolf. Rums! Ein Schlagloch. Und noch eins. Ich bin im „Westen“.
Wer Franken kennt, der weiß, dass man dort nie und nimmer eine Assoziation zwischen Bayern und Franken herstellen sollte. Denn die Franken sind so töricht und meinen, sie könnten als eigenes Bundesland bestehen. Lächerlich. Wir wissen doch, dass alle strukturschwachen, dünnbesiedelten Gebiete in Deutschland nur mit neuen Autobahnen, Tunneln und Brücken ausgestattet werden.
Ein ganz normaler Tag – Teil I – Das Frühstücksbuffet
Es ist immer dasselbe in diesen winkeligen Hotels. Die 2 Tische des Frühstücksbuffets sind immer so gestellt, dass möglichst gar niemand heran kommt, und alle in einer ewig langen Schlange da stehen müssen. Entsetzt stelle ich fest, dass 6 Mitbürger vor mir in der Schlange stehen. Der ältere Mann an erster Stelle in der Schlange greift beherzt in die Schüssel mit den Croissants. Nein, in die Schüssel mit DEM Croissant. Es ist das letzte Croissant, das er zusammengequetscht seiner Frau ins Gesicht presst, die erwidert: „Ach nein, Herbertchen, ich bin doch auf Diät!“ Herbertchen dreht sich um, brubbelt vor sich hin, und anstatt sich einen Tisch zu suchen rennt er blindlings gegen die Glastür, die die Verbindung vom Wintergarten zum Innenhof darstellt. „Satanswerk! Teufelswerk!“ „Ach ja, die Bayern.“, sage ich, und sofort dreht sich die Kellnerin um und wirft mir ein unterdrücktes und vorwurfsvolles „Grüß Gott!“ zu, worauf hin ich antworte, ich sehe doch eher nach „Guten Tag!“ aus und hätte kein Interesse, Gott zu grüßen, da ich seine Adresse nicht einmal besäße. Die Kellnerin starrt mich an. Da bemerke ich den Korb mit Croissants in ihrer Hand. Sie stolpert die Stufe zum Buffet hinunter und gesellt sich zur Gattin von Herbertchen, die auf ihren Teller neben 4 Bouletten und 3 Stück Bacon noch 5 Nürnberger Würstchen presst. Sie dreht sich um, und ohne, dass jemand etwas gesagt hat, fragt sie: „Woas?“ – so, als würde der junge Mann hinter ihr sofort losschreien, dass er die Bouletten haben wolle. Doch er sieht eher nach Suizid als nach Boulettensehnsucht aus. Hinter ihm steht seine Lebensgefährtin, dahinter ein älteres Ehepaar, das lautstark darüber diskutiert, in wessen Jugend noch mehr Krieg herrschte. Die beiden scheinen des jungen Mannes Schwiegereltern zu sein, da er sich manchmal umdreht, nur um sich sofort wieder zurückzuwenden. Nach dem Herbertchens Gattin von dannen ist, stellt er sich in die Ecke und dreht sich alle 12 Sekunden um, um seine Frau zu fragen, wie viele Löcher der Käse haben dürfe. Das mit den 12 Sekunden habe ich mal nachgezählt.
Der Mann sieht höchst deprimiert aus, fängt Streit an, als seine Frau antwortet: „Es ist mir völlig egal, wie viele Löcher der Käse hat. Du kannst auch gern eine quadratische Funktion erstellen, um einen besseren Überblick zu haben!“ Ich glaube, der Mann macht Witze, als er sich Pflaumenmus in ein Schüsselchen füllt, und mit der Rückseite eines der Croissants, die die Kellnerin vorbeigebracht hat, eine Funktion an die weiße Wand zu zeichnen. Seine Frau klopft ihm auf den Rücken und lächelt danach die entsetzte Kellnerin an, als sei nichts. Die beiden älteren Individuen vor mir unterhalten sich grad über die Einführung der Rentenmark im Jahre 1923, als ich den kleinen Mops bemerke, der die Cornflakes-Schüssel herunter zieht. Als der miesgelaunte Mann ohne Käse vom Buffet schreitet rutscht er auf Schoko-Chips aus, um direkt in die Honeyballs zu fallen, die der Mops angesabbert ausgebreitet hat.
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Online-ZeitungAusgabe 21/2012 |
06.10.2012 |
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