Fußballblatt Spvgg |
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Online-ZeitungSeite 5 - 21.10.2014 |
Ausgabe 2 |
Es war kurz vor der Weltmeisterschaft, als Lukas Podolski wieder in der Rolle angekommen schien, in der er zehn Jahre zuvor bei der Nationalmannschaft seine Karriere begann: Podolski verbreitete Hoffnung. Bei der WM-Generalprobe gegen Armenien humpelte Marco Reus gerade vom Platz, und im Mainzer Stadion ahnte man schon, dass für Reus die WM vorbei sein könnte, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Für den Pechvogel kam Poldi – und aus einem 0:0 zur Halbzeit machten die Deutschen einen 6:1-Sieg. Podolski erzielte dabei nicht nur einen Treffer und bereitete weitere vor. Er war eine treibende Kraft, so voller Energie und Tatendrang, wie man ihn nur aus seinen besten, aber schon länger vergangenen Tagen in der Nationalelf kannte. Es schien, als wäre die Zeit stehengeblieben. Aber es war eine Täuschung. Dabei war immer, wenn ein großes Turnier anstand, auf Podolski Verlass gewesen. Da konnten in all den Jahren die Krisen in den Klubs so groß gewesen sein, wie sie wollten – kein anderer Profi blühte bei den Endrunden im DFB-Trikot so verlässlich auf wie Podolski. Und auch in Brasilien schien er nach starken Auftritten wieder ein Spieler für die Startelf zu sein. Gegen Portugal wurde er dann aber doch erst spät eingewechselt, gegen Ghana verzichtete der Bundestrainer vollständig auf ihn. Im letzten Gruppenspiel gegen die Vereinigten Staaten war dann jedoch plötzlich seine große Chance gekommen. Podolski spielte von Beginn an – und enttäuschte von der ersten Minute an. Zur Halbzeit musste er raus. Damit war die WM für ihn beendet. Joachim Löw setzte Podolski in Brasilien keine einzige Minute mehr ein. Wenn nicht alles täuscht, hat Lukas Podolski am vergangenen Dienstag eine weitere Zäsur in der Nationalelf erlebt. Die womöglich letzte und entscheidende in seiner herausragenden Karriere. Nachdem der große deutsche Fußball-Liebling beim 0:2 in Polen in der 77. Minute eingewechselt wurde und den Ball gleich mit einem fulminanten Schuss gegen die Latte drosch, durfte er drei Tage später gegen Irland direkt nach der Pause ran. Sein Auftritt im 120. Länderspiel geriet dann aber zu einer einzigen Enttäuschung, genauso wie gegen die Vereinigten Staaten. Nun scheint das Ende seiner Karriere beim DFB nahe, mit dem Dauerverletzten Bastian Schweinsteiger ist er ohnehin das letzte Gesicht des Sommermärchens in der Nationalelf. Im November, zum Qualifikationsspiel gegen Gibraltar und zum Jahresabschlusstest gegen Spanien, dürfte der 29 Jahre alte Podolski noch einmal zum Aufgebot zählen, nicht zuletzt wegen der großen Personalmisere. Ob er danach allerdings, wenn die vielen verletzten Stammkräfte genesen sein dürften, überhaupt noch einmal im deutschen Trikot mit den vier Sternen zum Einsatz kommt, ist fraglicher denn je. Von einem Ende seiner Zeit als Nationalspieler will Podolski allerdings nichts hören. „Ich kann meine Situation ganz gut einschätzen. Und die Situation im Verein muss sich jetzt ändern. Mal schauen, was jetzt passiert, und dann mal schauen, was im Winter passiert. Dass ich damit nicht zufrieden bin, ist ja klar“, sagte er nach dem 1:1 gegen Irland. Sein Ziel ist die Europameisterschaft in Frankreich – und die Nationalelf weiter seine große sportliche Liebe, genauso wie der 1. FC Köln.
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Vielleicht macht Fußball-Liebe auch ein bisschen blind. Kurz vor der WM war Podolski in eigener, nationaler Sache schon einer ersten Fehleinschätzung unterlegen. „Meine Rolle ist hier bestimmt nicht, den Spaßvogel zu machen. Ich lasse mich nicht darauf reduzieren, nur hier dabei zu sein, weil ich gute Stimmung reinbringe. Ich bin dabei, weil ich die Qualität habe, hier dabei zu sein“, sagte er unmittelbar vor dem WM-Auftaktspiel. Aus den möglichen 690 Minuten WM-Spielzeit wurden gerade mal 53 Minuten. Als gute Seele der Nationalelf ist Podolskis Wert dagegen nach wie vor kaum zu überschätzen. Nach seinem enttäuschenden Auftritt gegen Irland urteilte der Bundestrainer ganz zurückhaltend über einen Spieler, dessen alte Verdienste in immer größerem Gegensatz zu seinem aktuellen sportlichen Nutzen stehen. „Man spürt, er hat seit einigen Wochen noch keine Spielpraxis. Phasenweise hat er für Betrieb gesorgt“, sagte Joachim Löw. „Aber für eine längere Zeit, für 90 Minuten, fehlt ihm noch die Kraft.“ Am Tag nach dem EM-Qualifikationsspiel in Gelsenkirchen tauchte Podolski plötzlich bei seinem Herzensklub auf. Er würde, so heißt es aus seiner Umgebung, am liebsten so schnell wie möglich zum 1. FC Köln zurückkehren, also in der Winterpause. Beim FC Arsenal ist Podolski in dieser Saison nicht mehr gefragt, obwohl er eine starke Rückrunde in der Premier League gespielt hatte. Als Weltmeister kommt er in dieser Spielzeit bei Arsene Wenger auf 39 Minuten Einsatzzeit. |
Podolski liebäugelt längst mit einem Wechsel zur Winterpause. Beim 1. FC Köln ist das Interesse, eine dritte Beziehung mit dem Stadtheiligen einzugehen, allerdings nicht sonderlich ausgeprägt. „Natürlich wünsche ich mir, noch einmal das Trikot des FC zu tragen. Das ist mein Traum“, sagte Podolski unlängst. Der Angreifer wäre sogar bereit, wie es heißt, dem Klub finanziell entgegenzukommen. Aber ein Spieler mit einer solch ungeheuren Strahlkraft, wie sie Podolski besitzt, passt dem Klub offenbar nicht so recht ins Konzept. Manager Jörg Schmadtke, der sich mit Präsident Werner Spinner sowie dem FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle am vergangenen Mittwoch zum Gespräch mit Podolski auf der Kölner Geschäftsstelle traf, wollte von einer Rückkehr nichts wissen. Über einen möglichen Wechsel sei gar nicht gesprochen worden, aber nicht, weil eine Partei dies nicht wolle, sondern weil beide Seiten wüssten, dass dies kein Thema sei, sagte Schmadtke: „Weil es nicht passt.“ Keine guten Zeiten für Podolski im Herbst seiner Karriere: In der Nationalelf läuft seine Zeit ab, bei Arsenal steht er auf dem Abstellgleis, und jetzt soll er nicht einmal mehr zum 1. FC Köln passen. Ein Weltmeister sucht nach seiner Zukunft.
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