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Von Stefan Huber

Unterwöhrn Times

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Nichts als die Wahrheit™

08.02.2017

Ein Gespenst geht um in Europa“, mit diesen Worten beginnt das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. Die beiden Vordenker des marxistischen Kommunismus brachten diese mittlerweile berühmten Worte um die Jahreswende 1847/48 zu Papier. Auch heute scheint wieder ein solches Gespenst sein Unwesen in Europa zu treiben, diesmal jedoch kein kommunistisches – im Gegenteil. Überall in Europa ist ein Erstarken von Gruppierungen, welche der sogenannten Neuen Rechten zuzuordnen sind, zu erkennen. Ob nun der Erfolg des französischen Bloc identitaire, dem Äquivalent zur deutschen Identitären Bewegung (IB), oder die steigenden Verkaufszahlen an neurechten Publikationen wie der Jungen Freiheit oder des Sezession-Magazins von Götz Kubitschek, all dies sind wohl letztendlich lediglich Symptome für eine seit Jahren zu beobachtende Entwicklung: Die Neue Rechte greift nach der Mitte der Gesellschaft.

Doch wer sind diese Leute, die diese Entwicklung gezielt voranzutreiben versuchen? Was bezwecken diese Leute damit und aus welchen Motiven?

Das alles sind Fragen, deren Beantwortung sich nicht zuletzt dadurch schwierig gestaltet, dass die Neue Rechte, vor allem in Deutschland, nicht als homogene Gruppierung auftritt. Vielmehr bestehen einzelne kleinere und größere neurechte Netzwerke. Bei etwas intensiverer Recherche wird man zwar auf gewisse Querverbindungen stoßen, das soll hier aber erst einmal keine Rolle spielen.

Es ist also folglich unabdingbar eine geeignete Definition für die Neue Rechte zu finden, will man sich wirklich ernsthaft mit ihr auseinandersetzen. Folgt man der Definitionen des Historikers Volker Weiß, so handele es sich bei der Neuen Rechten um ein in den 70er Jahren aus der französischen Nouvelle Droite entstandenes Gegenmodell zur Neuen Linken, die sich an den Intellektuellen der „Konservativen Revolutionäre“ in den 1920ern orientiere. Kerninhalte der Bewegung seien folglich ein dezidierter Antiparlamentarimmus und der Ethnopluralismus.Damit meint Weiß eine, wie es auch auf Wikipedia so treffend formuliert ist, „Fundamentalkritik an zentralen Verfassungsnormen, in Deutschland auch die Ablehnung tragender Prinzipien des Grundgesetzes […]“. Zudem seien einzelne Gruppierungen an der Reinstallation eines „völkischen Nationalismus“ in Deutschland interessiert.

Völkischer Nationalismus – klingelt da was? Hat nicht erst vor kurzem die AfD-Chefin Frauke Petry höchstpersönlich im Interview mit der Welt am Sonntag gefordert den Begriff „völkisch wieder positiv zu besetzen“? In der Tat scheint es auch innerhalb der AfD neurechte Bestrebungen zu geben, die sich größtenteils um Björn Höcke, dem Rechtsaußen der Partei, sammeln. So hat bereits Andre Poggenburg, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt und Höcke-Anhänger, in einer Rede vom zweiten Juni 2016 dem Rest des Parlaments zu verstehen gegeben: „Die AfD ist in der sehr schönen Lage Oppositionsführer zu sein und muss eben keinen Ausblick geben – im Gegensatz zur Regierung – wie sie aus eigener Kraft das Land verändern will. Das ist nunmal das Privileg der Opposition!“ Eine höchst eigenwillige Definition von Oppositionsarbeit und Auffassung parlamentarischer Arbeit im Allgemeinen. Des Weiteren ist die Duzfreundschaft zwischen Herrn Höcke und dem bereits angeführten neurechten Vordenker Götz Kubitschek ein offenes Geheimnis und umso bemerkenswerter, weil Kubitschek seine eigene Ehefrau zu Hause siezt. Eben dieser Götz Kubitschek brüstet sich indessen bereits zahlreiche AfD-Anhänger in seiner Ideologie geschult zu haben. Unverkennbar ist daher dessen Handschrift in der „Erfurter Resolution“, dem Manifest der völkischen innerparteilichen Strömung. Aus dieser Resolution heraus haben sich Mitglieder der ehemaligen „Patriotischen Plattform“ zusammengefunden mit dem Ziel die AfD zu einer fundamentaloppositionellen „nationalen Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“ umzufunktionieren.

 

Götz Kubitschek, neurechter Vordenker; Bildrechte: dpa

Der Parlamentarimus dient hierbei aber wohl eher als Mittel zum Zweck und so formiert sich der Großteil der neurechten Bewegungen außerhalb des Parteienspektrums wie PEGIDA und die Identitäre Bewegung eindrucksvoll belegen. Bis vor kurzem war die IB noch vorwiegend ein Internetphänomen, der „popkulturelle Arm der rechtsextremen“, wie Alex Rühle es so treffend in der SZ beschreibt. Mit seiner Deutung hebt sich der Autor nur unwesentlich vom Selbstverständnis der Bewegung ab. Martin Sellner, führender Kopf der Identitären im deutschsprachigen Raum, erklärt hierzu: „Identitär zu sein bedeutet für uns, mit vollem Einsatz für den Erhalt unserer ethnokulturellen Identität einzutreten.“, und „[d]ie IB verbindet also eine neue Theorie […] mit neuen zeitgemäßen Aktionsformen.“ Hierbei schwingt ein verklausuliert ausgedrückter Ethnopluralismus mit. Ethnopluralismus ist eine neurechte Ideologie, die allen Kulturen ihre Existenzberechtigung zugesteht, solange dabei keine Assimilation stattfindet. Die Völker sollen also alle schön unter sich bleiben, was quasi auf eine weltweite Apartheid der Völker hinausliefe. Darum wird der Ethnopluralismus von Kritikern auch gerne als „Rassismus ohne Rassen“ bezeichnet.Die „zeitgemäßen Aktionsformen“ konnte man in den letzten Monaten ebenfalls des Öfteren bewundern. Mal wurde der Balkon des Willy-Brandt-Hauses besetzt, mal eine Radiosendung gestürmt oder ein Banner auf dem Brandenburger Tor gehisst. Ein Aktionismus, der stellenweise doch recht stark an den von radikalen Antifagruppierungen erinnert. Aus den neurechten Verlagen und Institutionen haben sich also heute im Wesentlichen zwei Strömungen in der Neuen Rechten herausgebildet, „mit den Identitären ein[e]

aktionistische“, wie es die Politikwissenschaftlerin Kathrin Glösel formuliert und die parlamentarische in Form der AfD, wie Wolfgang Gessenharter, ebenfalls Politikwissenschaftler, in der SZ schreibt.

Man begegnet dem neurechten Gedankengut in den letzten Monaten und Jahren immer häufiger, etwa in Onlineforen, in den Kommentarspalten von Zeitungen, aber auch immer öfter in den Talkshows. Der österreichische Privatsender ServusTV etwa lud zu einer Debatte über „radikalisierte muslimische Jugendliche“ ausgerechnet IB-Chef Martin Sellner ein. Doch welche Motive und Absichten verbergen sich nun dahinter? Vorgeschoben wird oftmals die Begründung man wolle endlich dem „links-grün versifften 68er-Zeitgeist“ ein Ende bereiten. Dieser sei verantwortlich dafür, dass „[d]ie Altparteien […] unser geliebtes Vaterland, Deutschland, wie ein Stück Seife unterm Wasserstrahl [auflösen].“ Dieses reichlich abstrusen Sprachbildes bedient sich zumindest AfD-Mann Björn Höcke. Generell sind es oftmals übertriebene Ängste vor dem Verlust der eigenen kulturellen Identität zu sein, die alle Neurechten zwar schüren, von denen sie sich aber auch gleichermaßen nähren. Hierbei wird sich konspirativer Inhalte wie der NWO (Neue Weltordnung), einem baldigen Zusammenbruch des Systems, oder dem „Genozid der Weißen“ (gelegentlich auch als Genosuizid bezeichnet) bedient. Besonders im Netz trifft man diese immer wiederkehrenden Argumentationsmuster fast überall an.

„Besorgter Bürger“ aus dem neurechten Umfeld

Das klingt dennoch alles erstaunlich altrechts. Die Linken, die Eliten und diverse Minderheiten sollen mal wieder als Pappkameraden für den neurechten Feldzug gegen das verhasste System herhalten. Kann es also wirklich so einfach sein? Erstaunlicherweise scheint es so als würde ausgerechnet Martin Sellner eine passende Antwort parat haben: „Der Kampf um Europa, dieser Kampf um die Identität ist die letzte große Front gegen die totale Herrschaft des Liberalismus und den totalen und globalen Endsieg der Konsummonade.“Mit dieser Aussage reiht sich Sellner womöglich ganz ungewollt, oder auch bewusst in die Tradition der Konservativen Revolutionäre ein. „Mit einem Linken kann ich mich unter Umständen verständigen […]. Mit einem Liberalen jedoch kann es keine Verständigung geben.“, schrieb etwa Armin Mohler, Vordenker einer konservativen Revolution, in seiner Kampfschrift „Gegen die Liberalen“. Wie sich die Worte doch gleichen. Der Feldzug der Neuen Rechten ist einer gegen die Globalisierung mit all ihren Folgen. Ein Feldzug gegen die Liberalen in allen Parteien, was sich in Begriffen wie Alt-, Block-, wahlweise auch Einheitsparteien niederschlägt. Auch da lohnt ein Blick in die Geschichte. Arthur Möhler van den Bruck, ein Vordenker wiederum des NS, hat zu seiner Zeit geschrieben: „Die Jugend ist allen Parteien gegenüber skeptisch, weil sie alle irgendwelchen Liberalismen verfielen, und auch die Konservativen sich untreu wurden […].“ Die Parallelen sind unverkennbar.

Es sind keine neonazistischen Glatzköpfe mit Springerstiefeln, die unserer liberalen Demokratie, unserer liberalen Lebensart hier den Kampf angesagt haben. Es sind eloquente, zumeist junge, Männer und Frauen in smartem Dresscode, die versuchen, eigenmächtig Strukturen zu schaffen, um das verhasste System zu unterminieren. Diese Bestrebungen werden an den bereits bestehenden Querverbindungen zwischen IB und AfD sichtbar und wie fasst Simone Rafael im aktuellen Neon so schön: „Der Sturm auf die Demokratie hat gerade erst begonnen.“

Der Aufstieg der AfD, die Pegidademos in vielen Städten Deutschlands scheinen eine deutliche Sprache zu sprechen. „Es ist wieder salonfähig geworden, gegen eine vermeintliche "Überfremdung" zu wettern und Minderheiten zu diskriminieren.“, mahnen mittlerweile selbst konservative PublizistInnen wie etwa Liane Bednarz.

Vorwärts in die Vergangenheit!

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