Der Senior |
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Online-Zeitung08.09.2016 |
Frau Müller bereitet gerade alles für die Feier ihres 67. Geburtstages vor, als es plötzlich an der Tür klingelt. „Moment“ ruft sie, bevor sie sich langsam in Richtung Tür bewegt. Seit ihre Knochen und Gelenke verrückt spielen, geht sie kaum noch aus dem Haus. Würde ihre Tochter sie nicht zu ihren Bibelstunden fahren, wüsste sie gar nicht mehr weiter. Endlich an der Tür angekommen öffnet sie und ein junger Mann mit blonden Haaren und einer gelb-schwarzen Uniform hält ihr ein Paket und einen Stift zum Unterschreiben hin. Nach den Üblichen Formalitäten verabschiedet sich der Postbote und Frau Müller zieht sich samt dem Paket an ihren Küchentisch zurück. Beim Öffnen fällt ihr sofort der Stempel der Bundesregierung in’s Auge. Doch neben einem Brief enthält das Paket nur eine kleine Ehrennadel. Verwundert öffnet sie den Brief und liest: „Sehr geehrte Frau Müller, Herzlich gratulieren wir ihnen zu ihrem 67. Geburtstag und freuen uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie ihr Rentenalter nun erreicht haben. Des Weiteren teilen wir Ihnen mit, dass nun auch ihre politische Laufbahn ein Ende hat und wir Ihnen, aufgrund von zu hohem Belastungsrisiko, nahelegen, sich weitgehend aus dem politischen Leben zurückzuziehen.“ C. Liebrenz Dieses Schreiben ist maschinell gefertigt und auch ohne Unterschrift gültig So oder so ähnlich könnte es Rentnern und Senioren in 20 Jahren ergehen, wenn man nichts ändert. Information und Petitionen finden heute nicht mehr in der Zeitung oder mit Zettel und Papier statt. Nein, das Internet ist das Massenmedium Nr. 1 geworden, ohne welches eine annähernd vollständige Information zur Meinungsbildung und politisches Mitwirken scheinbar nicht mehr möglich sind. Aber gerade hierzu fehlt vielen Senioren der Anschluss. Durch rasante Entwicklung der Technik, kommen selbst technophile Rentner nicht mehr hinterher und haben so immer den Nachteil gegenüber der Jugend. Auch die lokale Gebundenheit vieler älterer Personen aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen macht die Teilnahme an Infoveranstaltungen oder den Besuch eines Bürgerbüros nahezu unmöglich. Doch selbst wenn gesunden Senioren die Anfahrt zum Bürgerbüro gelingt und er etwas bewirken möchte, so wird sämtlicher Enthusiasmus durch einen Berg von Bürokratie sofort vernichtet. Deshalb werden viele Rentner politikverdrossen, nehmen alles hin wie es kommt und wählen – wenn überhaupt – immerzu als Stammwähler die selbe Partei, ohne sich Gedanken über deren Ziele zu machen. Ist das Demokratie? Eine Welt in der das metaphorische Steinewerfen und Ziele umsetzen einer kleinen Gruppe von unter 40 Jährigen überlassen ist, welche allerdings in ihrem Handeln und Wirken durch engstirniges und uninformiertes Wahlverhalten der großen Gruppe 50 plus komplett aufgehalten werden. Ist es Demokratie, wenn die, welche physisch in der Lage wären etwas zu ändern nur durch die Politikverdrossenheit vieler anderer gestürzt würden…. Kann dieses System überhaupt Fortschritt bewirken? |
In früheren Zeiten wurden gerade den Älteren richterliche, lehrende und heilende Funktionen zugeschrieben. Sie genossen als Ratgeber, als Übermittler der Traditionen, als Erfahrene eine ganz besondere Achtung. Dies gilt in unserer Zeit schon lange nicht mehr. Funktionen des Speicherns, Behaltens und Erinnerns wie auch die Weitergabe von Wissen und Informationen werden heutzutage weitgehend durch moderne Technologien ersetzt. Das Alter in einer alternden Gesellschaft wie der unseren ist durch einen Rollenverlust gekennzeichnet. Was würde unsere Gesellschaft ohne „die Alten“ machen? Es kommt darauf an, die Stärken des Alters zu erkennen und auch zu nutzen. Es gibt nicht zu viele Alte in Deutschland, sondern zu wenig Junge Altern kann in vielen Bereichen ein Gewinn sein. Nach den Ergebnissen deutscher und internationaler Forschungen ist dieses negativ getönte Altersbild nicht zu rechtfertigen. Altern muss nicht Abbau und Verlust bedeuten, sondern kann in vielen Bereichen geradezu Gewinn sein, eine Zunahme von Kompetenzen und Potenzialen, und damit eine Chance – für den Einzelnen und die Gesellschaft. Der Einzelne sollte sich seiner persönlichen Interessen und Ziele klar werden und nach deren Verwirklichung streben; es bedarf aber auch gesellschaftlicher und politischer Angebote, die ältere Menschen motivieren mitzuarbeiten, sich einzusetzen, sich zu engagieren. |
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