Sechsundzwanzig Jahre ist der Konflikt zwischen Eritrea und Äthiopien inzwischen alt, mithin der längste, älteste Krieg Afrikas. Die ehemalige Kolonie Italiens wurde 1962 auf Befehl Haile Selassies gewaltsam Äthiopien angegliedert; seitdem herrscht der Krieg. Opfer und Kosten sind für beide Seiten verheerend. Rund 900 000 Flüchtlinge und Vertriebene zählt allein das 3,5 Millionenvolk der Eritreer. Doch der Widerstandswille, organisiert durch die Eritreische Volksbefreiungsfront scheint ungebrochen. Militärisch herrscht eine Pattsituation. Äthiopien kann den größten Teil Eritreas nicht mehr unter Kontrolle bringen, setzt aber weiterhin auf eine militärische Lösung des Konflikts. Die EPLF kann ihre Kampferfolge und die Verankerung in der Bevölkerung nicht in diplomatische Trümpfe verwandeln. Weder die „Organisation für afrikanische Einheit“ noch die Vereinten Nationen haben sich bisher des Eritrea-Konflikts angenommen. Die Hiobsbotschaften werden also bleiben: Flüchtlinge, Dürre, Hunger, jüngst wieder eine katastrophale Heuschreckenplage. Die Ursache, der Krieg, findet kaum Erwähnung. Aus äthiopischer Sicht führen eritreische „Banditen“, so der offizielle Sprachgebrauch, einen Sezessionskrieg, sind somit Separatisten. Aus eritreischer Sicht handelt es sich um einen Fall verzögerter Entkolonialisierung, weil Eritrea von 1890 bis 1942 zuerst italienische Kolonie war und dann, von 1941 bis 1952, britischem Protektorat unterstand. Die Ablösung durch den schwarzafrikanischen Kolonialismus Äthiopiens habe die Situation sogar noch verschlimmert. Im Gegensatz zum feudalen äthiopischen Kaiserreich hatten die italienische und britische Verwaltung die Industrialisierung und Kapitalisierung Eritreas gefördert und für die politisch notwendigen Flankierungsmaßnahmen gesorgt, wie zum Beispiel für die Herausbildung einer einigermaßen stabilen eritreischen Nation, Gewerkschaftsbewegung und Parteien, Parlament und Staatsflagge. Wegen der gewaltsamen Angliederung an Äthiopien, unter Verlust aller föderativen Rechte, rechtfertigte sich ein „Ben freiungskrieg“. Tatsächlich hatten die Vereinten Nationen 1950 durch die Resolution 390 A/V Eritrea, trotz heftigen eritreischen Widerstandes – damals noch gewaltlos – Äthiopien als Föderation angegliedert. Föderation heißt aber Beibehaltung der nationalen Besonderheiten. Davon konnte nach der Annexion durch Haile Selassie nicht mehr die Rede sein. Der Negus konnte dabei sein Ansehen als Mitbegründer der OAU und antifaschistischer Widerstandskämpfer gegen Italien in die Waagschale werfen und im Kalten Krieg auf die Vereinigten Staaten zählen. Für amerikanische Waffen- und Wirtschaftshilfe und die Zusage, auf eritreischem Territorium eine Abhörzentrale, die Kegnew-Station, zu installieren, die zeitweise bis zu 3500 Mann amerikanisches Personal zählte, wurden die Interessen der Eritreer ohne Federlesen den Großmachtinteressen geopfert. John Forster Dulles, damaliger amerikanischer Außenminister, gab dies 1952 auch unumwunden zu: „Der Gerechtigkeit halber müßte der Wille des eritreischen Volkes berücksichtigt werden, aber strategische Interessen der USA und Überlegungen zu Weltsicherheit und Weltfrieden zwingen dazu, eine Verbindung des Landes mit unserem Alliierten Äthiopien zu unterstützen.“ Eine strategisch wichtige Region war hinfort den Großmacht-Absichten unterworfen; ein lokaler Konflikt konnte nicht mehr nach regionaler Vernunft gelöst werden. |
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