Ausgabe 2 | Putins Rede vor der UNO | 03.10.2015 |
Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montag, 28. September 2015 vor der UNO-Generalversammlung eine Rede gehalten. Hier ein Auszug davon:
Eure Exzellenz Herr Präsident, Ihre Exzellenz Herr Generalsekretär, verehrte Staats- und Regierungschefs, meine Damen und Herren,
Im Jahr 1945 haben die Länder, die den Nationalsozialismus besiegten, ihre Bemühungen zusammengefasst, um eine solide Grundlage für die Nachkriegsweltordnung zu legen.
Ich erinnere Sie daran, dass die wichtigsten Entscheidungen über die Grundsätze, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten, sowie über die Errichtung der Vereinten Nationen, in unserem Land gemacht wurden, in Jalta, in der Konferenz der Anführer der Anti-Hitler-Koalition.
Das Jalta-System wurde tatsächlich mit Wehen geboren. Es wurde auf Kosten von zig Millionen von Menschenleben und zwei Weltkriege gewonnen, die im 20. Jahrhundert über den Planeten fegten.
Lassen Sie uns fair sein. Es half der Menschheit durch turbulente, manchmal dramatische Ereignisse der letzten sieben Jahrzehnte. Es rettete die Welt vor grossen Umwälzungen.
Die Vereinten Nationen sind einzigartig in ihrer Legitimität, Vertretung und Universalität. Es stimmt, dass in letzter Zeit die UNO weithin angeblich als nicht effizient genug und aufgrund der Tatsache kritisiert wurde, dass die Entscheidungsfindung über grundsätzliche Fragen wegen unüberwindbaren Differenzen stagniert, vor allem unter den Mitgliedern des Sicherheitsrats.
Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass es Differenzen in all diesen 70 Jahren der Existenz der UNO gab. Das Vetorecht ist seit jeher von den Vereinigten Staaten, Grossbritannien, Frankreich, China, der Sowjetunion und Russland später gleichermassen benutzt worden. Das ist völlig natürlich für so eine vielfältige und repräsentative Organisation.
Als die UNO gegründet wurde, haben ihre Gründer nicht im Leisesten gedacht, dass es immer Einstimmigkeit geben wird. Die Mission der Organisation ist es, Kompromisse zu suchen und zu erreichen, und ihre Stärke kommt von der Betrachtung und Annahme verschiedener Ansichten und Meinungen. Entscheidungen, die innerhalb der Vereinten Nationen diskutiert werden, werden entweder als Beschlüsse getroffen oder auch nicht. Wie Diplomaten es sagen, entweder gehen sie durch oder nicht.
Was für Aktionen auch immer irgendein Staat unternimmt, um dieses Verfahren zu umgehen, sie sind illegal. Sie sind gegen die Charta gerichtet und verletzen das Völkerrecht. Wir alle wissen, dass nach dem Ende des Kalten Krieges – wie jedem bewusst ist – ein einziges Zentrum der Herrschaft auf der Welt entstand, und dass dann diejenigen, die sich an der Spitze der Pyramide sich fanden, versucht waren zu denken, dass, wenn sie stark und exzeptionell sind, es besser wüssten und mit den Vereinten Nationen nicht rechnen müssen, die, anstelle von einer automatischen Genehmigung und Legitimierung der notwendigen Entscheidungen [zu handeln] oft Hindernisse schaffen, oder, mit anderen Worten, im Wege stehen.
Es ist nun üblich geworden, dass sie in ihrer ursprünglichen Form überflüssig sind und ihre historische Mission vollendet haben. Natürlich verändert sich die Welt, und die Vereinten Nationen müssen mit dieser natürlichen Veränderung einhergehen. Russland ist bereit, gemeinsam mit seinen Partnern auf der Grundlage des vollständigen Konsens zu arbeiten, und wir halten die Versuche, die Legitimität der Vereinten Nationen zu untergraben, für extrem gefährlich. Sie könnten zu einem Zusammenbruch der gesamten Architektur der internationalen Organisationen führen, und in der Tat gäbe es dann keine anderen Regeln mehr als die der Gewaltherrschaft.
Wir würden eine Welt erhalten, die von Egoismus dominiert wird statt durch kollektive Arbeit, eine Welt, die zunehmend durch Diktat statt Gleichheit gekennzeichnet ist. Es gäbe weniger Demokratie und Freiheit, und das wäre eine Welt, in der echte unabhängige Staaten durch eine ständig wachsenden Zahl von De-facto-Protektoraten und extern kontrollierten Gebieten ersetzt werden könnten.
Was ist die staatliche Souveränität überhaupt, die von unseren Kolleginnen und Kollegen hier erwähnt wurde? Es ist im Grunde die Freiheit und das Recht, freiheitlich die eigene Zukunft für jede Person, Nation und Staat zu wählen. Übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen, das gleiche gilt für die Frage der so genannten Legitimität der Staatsgewalt. Man sollte nicht mit Wörtern spielen oder sie manipulieren.
Jeder Begriff im Völkerrecht und internationalen Angelegenheiten sollte klar und transparent sein und einheitlich verstandene Kriterien haben. Wir sind alle verschieden und wir sollten das respektieren. Niemand muss sich einem einzelnen Entwicklungsmodell anpassen, das jemand ein für allemal als das einzig richtige anerkannt hat. Wir sollten uns alle daran erinnern, was unsere Vergangenheit uns gelehrt hat.
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