Im Rahmen eines Zeitungsprojektes haben wir uns mit dem CDU-Fraktionschef Philibert Reuters getroffen und ihn über seine Arbeit und den Alltag eines Politikers befragt.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Das ist natürlich unterschiedlich. In aller Regel stehe ich morgens zeitig auf, lese dann beim gemütlichen Frühstück zwei Tageszeitungen. Dann spiele ich jeden morgen eine halbe Stunde Gitarre, ich habe früher in einer Band gespielt und es geht halt nicht weg. Das gehört für mich zum Leben dazu. Das ist natürlich jeden Tag ein Stück weit Entspannung. Dann lese ich die Post, E-Mails,... E-Mails sind Segen und Fluch zugleich, das kennt ihr wahrscheinlich auch. Leider ist immer viel Schrott dabei, wie das Internet: ein Schrotthaufen mit einigen Perlen, die man versuchen muss zu finden. Zwischendurch fangen dann die ersten Gespräche an, das Telefon ist nach wie vor die wichtigste Erfindung, weil man über Distanzen direkt und persönlich kommunizieren kann. Dann ist es abhängig vom Terminkalender: Manchmal ist die erste Sitzung schon morgens um acht, manchmal auch sieben. Das ist aber sehr selten. Dann finden Arbeitsgruppen statt, Besprechungen oder Vorbereitungen von Sitzungen. In aller Regel finden nachmittags um 17h diese ganzen Sitzungen statt: Ausschusssitzungen, andere Gremien, oder Aufsichtsräte die bereits morgens um acht tagen, manche auch erst um 18h. Es ist also sehr unterschiedlich, das heißt, man muss eine terminische Flexibilität haben.
Worum geht es in Ratssitzungen? Was wird da beschlossen?
Das ist unterschiedlich. Der Rat ist eigentlich nur das Schlussgremium, die Themen gehen vorher durch unterschiedliche Ausschüsse, die vorbereitet werden, von den Ratsdamen und -herren, aber auch von bürgerschaftlichen Mitgliedern wie Sachverhalte. Es fängt an mit dem Zustand der Straßen, der Energieversorgung. In der Stadt geht das Licht immer an - wunderbar. Aber das muss ja irgendwo herkommen. Wir reden natürlich auch über die Sauberkeit der Stadt, die Sicherheit, die Verkehrsinfrastruktur, ob sie so, wie sie angelegt ist, stimmig ist, ob der Verkehr läuft. Ganz wichtig ist auch der öffentliche Personennahverkehr. Nicht alle Leute wollen ein Auto haben oder können sich eins leisten. Es müssen Möglichkeiten geboten werden. Der Umweltschutz ist immer ein großes Thema, die Freizeitwelt, das Kulturangebot, wir haben hier tolle Museen. Wir haben einen fantastischen Zoo. In einer Stadt wie Krefeld, mit etwas 220.000 Einwohnern, Schulen, Senioreneinrichtungen, solche Dinge müssen vor Ort sein und angeboten werden. Die Sicherheit, also das Zusammenarbeiten mit der Polizei. Es ist ein ganz bunter Strauß unterschiedlicher Themen. Dann kommen die Dinge wie 'Wie entwickelt sich eine Stadt?' 'Wo braucht man möglicherweise neue Baugebiete, wo Familien hinziehen können?' 'Was bieten wir den Menschen an, die älter geworden sind und nicht mehr so viel Platz brauchen? Sollen sie eine seniorengerechte Wohnung beziehen?'. Wie kann man die heimische Wirtschaft unterstützen? Das kann man nach dem Motto „Wohnen, Leben und Arbeiten in Krefeld“. Und um das homogen und möglichst verträglich zu machen, dazu sind wir verpflichtet. 'Politik' kommt ja eigentlich aus dem Griechischen und heißt nichts anderes als 'Förderung des Allgemeinwohls'. Das ist unser Job.
Wie wird der Bürgermeisterkandidat innerhalb der Partei festgelegt?
Es ist so, dass es parteiintern eine ganz kleine Findungskommission gibt, das machen Marc Blondin und ich. Wir beraten uns mit dem Parteivorstand und anderen Leuten, von denen wir glauben, dass sie uns gut beraten können. Dann führen wir viele Einzelgespräche. Manche bewerben sich auch mehr oder weniger selbst, das kommt auch vor. Es wird in der nächsten Zeit so sein, dass Herr Blondin und ich dem Kreisvorstand der CDU die Möglichkeit vorschlagen werden, die sich dann dort vorstellen muss. Dieser Verband muss dann sein Votum einlegen. Aber das ist noch nicht das Ende: diese Persönlichkeit muss dann noch in die Kreisvertreterversammlung der CDU. Im Vorstand sitzen 25 Leute, in der Kreisvertreterversammlung, wo alle Stadtbezirke abgedeckt sind, sitzen 125 Leute. Vor diesen 125 Leuten muss die Person sich noch einmal vorstellen, die Nominierung gewinnen, und dann ist die oder der der offizielle Kandidat. Dann ist das Wichtigste an der Reihe: die Bürger entscheiden. Soll es der Kandidat der SPD sein oder doch der von der CDU? Oder haben die Grünen einen interessanten Kandidaten, oder die FDP, oder weiß der Geier wer.
Wofür steht die CDU? Was unterscheidet sie von den anderen Parteien?
Es gab in den 1970er Jahren einen sehr schönen Slogan der CDU. Er lautete: Sicher. Sozial. Frei. Das ist für mich das Kernstück der CDU, wobei ich persönlich auch immer betone, dass es für mich auch immer ein hoher Wert ist, dass wir uns als Christen bezeichnen. Christ zu sein hat etwas mit Solidarität, Einstehen zu tun. Wie bei den Pfadfindern: Der Große schützt den Kleinen. In einer Gemeinschaft zu leben. Die CDU ist eine klassische Volkspartei. Sie orientiert sich nicht auf eine Zielgruppe, sondern versucht, die gesamte Bevölkerung zu vereinen. Wir sind genauso gut für die Arbeitnehmer wie für die Arbeitgeber, für ärmere und reichere Bevölkerungsschichten. Wir differenzieren nicht, wir sagen nicht 'Da setzen wir uns verstärkt ein'. Zunächst einmal sind wir eine Partei, die alle, Männer, Frauen und Kinder als Gleichberechtigte ansieht. Wir machen Fehler, das ist auch normal. Aber wir versuchen, unser Bestes zu geben. Andere Parteien wie die FDP, die eine klassische Klientelpartei ist, widmen sich besonders Unternehmerkreisen. Deren liberale Ausrichtung nur für ein bestimmtes Klientel da ist, das unterscheidet uns. Was uns von der SPD unterscheidet, ist, die betonen immer ihre Arbeitnehmerfreundlichkeit. Das finden wir auch gut. Aber das alleine ist uns zu wenig. Wir versuchen, das Ganze zu sehen. Oder die Grünen, die ja durch Umweltpolitik groß geworden sind und auch eine Antikriegspolitik – das wird von uns natürlich genauso gesehen. Der Umweltschutz stand schon im Grundsatzprogramm der CDU 1954, das ist keine Erfindung der Grünen. Aber vielleicht haben sie die Sache besser verkauft, das muss man sagen. Aber die meisten Parteien sind auf Spezialthemen fokussiert. Wobei sie sich auch öffnen und entwickeln. Es ist nicht so, als wenn sie dort beharren, aber sie haben doch eine Ausrichtung auf eine gewisse Klientel. Wir versuchen eben, das breite Spektrum abzudecken, auch wenn wir wissen, dass das unwahrscheinlich schwer ist. Wir versuchen aber, das beste draus zu machen. Dieser christliche Solidargedanke ist bei uns da. Allerdings darf man das auch nicht missverstehen, nach dem Motto 'Wir müssen uns 24h am Tag lieb haben', es hat etwas mit dem Fördern und Fordern der Leute zu tun. Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch mit den Talenten/Fähigkeiten/Begabungen, die er geschenkt bekommen hat, etwas entwickeln muss. Wir machen da keine Wertungen. Für uns ist der Arbeitnehmer genauso wichtig wie der Arbeitgeber, der Pförtner wie der Oberbürgermeister. Aber jeder an seinem Platz sollte sich für die Gesellschaft einbringen. Es kann nicht sein, dass man die Hand nur offen hält. Man muss sich auch einbringen.
Wir dürfen nächstes Jahr wählen. Worauf sollten wir achten?
Ihr müsst euch frei entscheiden, was aus eurer Sicht falsch und richtig ist. Was ich euch empfehle, ist, lasst euch von Parteien die Programme geben. Geht sie durch. Dann ist es wichtig, dass ihr eine Werteskala macht. Wo ihr für euch am ehesten das Gefühl habt, 'Das trifft auf mich zu, da fühle ich mich zu Hause'. Wenn ihr so weit seid, vereinbart eine Sprechstunde. Politik ist kein reines Bringgeschäft, es kann auch ein Holgeschäft sein. Dass ihr auf Politiker(innen) zugeht und sagt 'Stellt mir eure Arbeit vor!'. Gebt mir was Konkretes. Was wollt ihr überhaupt. Es ist wichtig, dass ihr einen frei entschiedenen Weg findet. Es gibt unterschiedliche Parteien mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Das herauszukriegen, das ist euer Job. Wer euch nicht überzeugt, der hat verloren.
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10.03.2015 |
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