Bourdieu,Pirre: Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: Wentz, M. (Hg.): Sadt-Räume. Frankfurt a.M./New York 1991, S. 25-34. Downs, Roger/Stea, David: Kognitive Karten: Die Welt in unseren Köpfen. New York 1982. Greverus, Ina-Maria: Was sucht der Anthropologe in der Stadt. In: Dies., Johannes Moser, Kirsten Salein (Hg.): STADTgedanken aus und über Frankfurt am Main. Der Stadt Frankfurt zum 1200. Geburtstag. Frankfurt a. M. 1994, S. 11-74. Hengartner, Thomas: Forschungsfeld Stadt. Zur Geschichte der volkskundlichen Erforschung städtischer Lebensformen (=Lebensformen, Bd. 11). Berlin/Hamburg 1999.
Jurth, Alina: Stereotype und Vorurteil. Norderstedt 2009. Konrad, Jochen: Stereotype in Dynamik. Zur Kulturwissenschaftlichen Verortung eines theoretischen Konzept. Lübeck und München 2006. Lang, Barbara: Mythos Kreuzberg. Ethnographie eines Stadtteils. 1961-1995. Frankfurt/Main 1998. Lehmann, Albrecht: Erzählstruktur und Lebenslauf. Autobiographische Untersuchungen. Frankfurt a.M. 1983. Lindner, Rolf: Der Habitus der Stadt - ein kulturgeographischer Vergleich. In: PGM. Zeitschrift für Geo- und Umweltwissenschaften 2003/2, S. 46-59. Lynch, Kevin: Das Bild der Stadt. Basel 2007. Ploch, Beatrice: "Vom illustrativen Schaubild zur Methode - Mental Maps und ihre Bedeutung für die Kulturanthropologie". In: Greverus, Ina Maria (Hg.): Kulturtexte. 20 Jahr Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie. Frankfurt am Main 1994, S. 113-133. Welz, Gisela: Street Life - Alltag in einem New Yorker Slum. Frankfurt am Main 1991. |
In "Stereotype und Vorurteil - Eine Untersuchung zum Deutschlandbild" von Alina Jurth ist ein möglicher Klärungsansatz zu finden. Sie schreibt: "Je geringer die soziale Distanz ist, desto mehr spielt die individuelle Persönlichkeit eine Rolle und desto weniger kommen Stereotype zum tragen. (...) Die soziale Distanz spielt somit bei der Stereotypisierung eine Rolle. Bei einer grösseren sozialen Distanz wird weniger Wert auf die Genauigkeit der Kategorisierung gelegt." (Jurth 2009) Jurth nennt diese These im Zusammenhang mit dem Stereotyp des faulen Arbeitslosen. Faulheit und Arbeitslosigkeit werden oftmals "als Einheit" wahrgenommen. Wenn aber an die Stelle des unbekannten Arbeitslosen nun ein Individuum, ein Verwandter oder Freund tritt, und einem dessen Situation bekannt ist und ersichtlich wird, dass dieser Bekannter keineswegs faul ist, kommt das Stereotyp weniger zu tragen. (vgl. ebd.) Dieser Ansatz kann auch auf die Distanz zwischen Publikationsorgan und Rezipienten respektive zwischen Publikationsorgan und Protagonisten der betreffenden Story übertragen werden. Mediale Verhandlung durch Vergleich Der vorangegangene Zeitungsvergleich hat gezeigt, dass die ZSZ im Gegensatz zu den anderen Zeitungen im Zusammenhang mit den zwei untersuchten Ereignissen den Goldküstenbegriff nicht verwendet. Betrachten wir nochmals die schon zitierten Stellen aus der NZZ und dem Spiegel Online, so lässt sich ein spannendes Muster erkennen. Entspricht das Verhalten nicht dem Bild des Bewohners der idyllischen Goldküste, wird dieses Bild noch verstärkt skizziert. Die Verhandlung dieses Bildes erfolgt durch die Gegenüberstellung der totalen Abweichung. Der schon zitierte Spiegel Onine-Artikel zu den gewalttätigen Jugendlichen beginnt zuerst mit der Aktivierung des ersten kognitiven Konzeptes der Metapher "Goldküste" - das Konzept des Ortes, wo die Sonne länger scheint. Die Schönheit des bewohnten Raums wird gerade zu hymnenartig beschrieben. |
Anschliessend wird auf die Berühmtheiten dieses Ortes hingewiesen und dann noch auf die Fakten Steuer und Immobilien. Und dann folgt der Bruch. Es scheint, als ob die idyllische Goldküste wie ein Kartenhaus zusammenstürzt, denn jetzt kommen "die Schläger von München". Dasselbe Muster ist im NZZ-Zitat aus dem Artikel zum Brandstifter erkennbar. Gegenüberstellung und Abgrenzung haben immer auch etwas mit Vergleichen zu tun. Gerade diesem Vergleichen weist Albrecht Lehmann eine zentrale Bedeutung zu: "Ohne Zweifel zählt aber der Vergleich zu den wichtigsten intellektuellen Techniken, zu den zentralen Denk- und Darstellungsmethoden des Alltags."(Lehmann 198) Die zitierten Medien bedienen sich also der "Darstellungsmethode" des Vergleichs. Durch dieses Vergleichen werden die Bilder über die Goldüste aktiviert und verhandelt. Mediale Verhandlung durch den Lupenblick
"Der Soziologe Ueli Mäder warnt vor wachsenden sozialen Unterschieden in der Schweiz. Wie sieht es an der 'reichen' Goldküste aus?" (ZSZ 2.Nov.2010) |
"Vor gut 20 Jahren versteuerte jeder Goldküstenbewohner knapp 600 000 Franken, im Jahr 2009 waren es im Schnitt fast 1.2 Millionen." (ZSZ 2.Nov.2010) "Grund für das Aufeinandertreffen der prominenten Goldküsten-Bewohner war der jüngste Roman Muschgs, in dem der Männedörfler den Herrliberger indirekt als 'unholden Vater des Vaterlandes' bezeichnet." (ZSZ 1.Nov.2010) Diese Art der Verhandlung soll hier "Lupenblick" genannt werden. Der Begriff geht auf ein Zitat von Rolf Lindner, schon bekannt aus dem Artikel zum Habitusgedanken, zurück: "Auto- und Heterotstereotype sind ja nicht nur Zerrspiegel, sondern auch Vergrösserungsgläser, die einzelne Züge [...] hervorheben." (Lindner 2003) Die Bilder über die Goldküste wurden hier hauptsächlich mentale Bilder genannt. Natürlich können sie auch mit dem Begriff Stereotype bezeichnet werden. Diese Stereotype vergleicht Lindner mit einer Lupe. Einzelne Aspekte werden durch den Lupenblick vergrössert, andere nicht. Bei dem Stereotyp über die Goldküste scheinen diese vergrösserten Aspekte der Reichtum, der Wohlstand, damit verbunden auch die Finanzen und Berühmtheiten zu sein. Gerade beim Thematisieren dieser Aspekte wird die Metapher "Goldküste" beim Namen genannt. Geht es in den Artikeln aus der Zürichseezeitung aber um andere Themen, bleibt die Metapher unangetastet. Diese Tatsache kann auf verschiedene Gründe zurückgeführt werden. Der Begriff "Goldküste" eignet sich natürlich einfach gut, um mehrere Gemeinden zusammenzufassen. Doch spannend ist, dass an manchen Stellen in der Zürichseezeitung auch "rechtes Ufer" oder "Bezirk Meilen" verwendet wird. Ob die Journalisten beim Schreiben bewusst auf den Begriff "Goldküste" verweisen, kann und soll nicht hinterfragt werden. Ob bewusste oder unbewusste Verwendung, der Begriff "Goldküste" als Metapher und als Bezeichnung für einen Ort mit einem eigenen Habitus, ist mehr als eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Es ist ein Begriff, der Bilder und Vorstellung intendiert, bewusst oder unbewusst. |
Auflage 1 | Goldküste | 19.12.2011 |
|